Die Mütze
Brief wollte und wollte nicht gelingen, er war viel zu ausführlich, gestelzt und langweilig. Deshalb entschloß er sich, ein Feuilleton für die Prawda zu schreiben. Er nahm einen neuen Bogen Papier, spannte ihn ein und tippte den Titel Wie der Tropf, so die Mütze auf dem Kopf.
Er begann im Tonfall Gogols: Wissen Sie, was das heißt »Wie der Tropf, so die Mütze auf dem Kopf?« Nein, Sie wissen nicht, was das heißt »Wie der Tropf, so die Mütze auf dem Kopf.« Glauben Sie, der Tropf bekommt eine Mütze, die auf seinen Kopf paßt! ? O nein, wohlgeneigter Leser, der Tropf bekommt eine Mütze entsprechend seinem Rang. Um eine anständige Mütze zu bekommen, muß der Tropf ein Sekretär des Schriftstellerverbandes oder zumindest ein Vorstandsmitglied sein. Seine Chancen steigen, wenn er Radfahrer und Parteimitglied ist, seine Chancen fallen, wenn er parteilos ist und auch noch Jude...
Die drei Pünktchen hatten sich wie von selbst angefügt und Efim auf den Gedanken gebracht, daß die Nationalitätenfrage doch lieber verschlüsselt ausgedrückt werden sollte, etwa folgendermaßen : ... wenn er parteilos ist und sein Fragebogen an einer gewissen Stelle zu wünschen übrig läßt.
In diesem Augenblick schrillte das Telefon, und an dem Schrillen hörte er - es war Baranow.
»Sei gegrüßt, alter Freund«, sagte er, »größere Luftbewegungen.«
»Wie?« Efim verstand nicht.
»Die Luftmassen geraten in Bewegung.«
Efim warf den Hörer hin, schaltete das Radio ein und suchte die Deutsche Welle. Endlich hatte er sie, aber die Sendung ging gerade zu Ende, es kam nur noch eine kurze Zusammenfassung der Tagesereignisse, die für Efim nichts Interessantes enthielt. Die BBC sendete Schlager, und die Stimme Amerikas war völlig von Störsendern zugedeckt. Efim packte den Empfänger, lief mit ihm im Zimmer auf und ab, drehte ihn hin und her, hielt ihn an die Heizung. Zweimal klopfte er mit dem Radio gegen das Knie, das hatte gelegentlich schon geholfen, tat es aber heute nicht. Die Zeit war besonders ungünstig - zwanzig Uhr fünfundvierzig. Efim schaltete aus und um neun Uhr wieder ein. Diesmal bekam er die Stimme fast störungsfrei. Efim hörte einen Kommentar zu den amerikanischen Vorschlägen über die Mittelstreckenraketen, zu der gespannten Lage im Persischen Golf, zu der zunehmenden Aktivität afghanischer Rebellen. Dann folgte eine Nachricht über ungewöhnlich starke Regenfälle auf den Philippinen und plötzlich: »Wie westliche Korrespondenten aus Moskau berichten, hat nach Informationen aus zuverlässiger Quelle Efim Rachlin, einer der führenden sowjetischen Schriftsteller, ein Attentat auf den Präsidenten des Schriftstellerverbandes Wassilij Karetin verübt. Über die Hintergründe dieses Attentats ist noch nichts bekannt, aber in unterrichteten Kreisen wird als Ursache dieses Anschlags die radikale Einschränkung der künstlerischen Freiheit in der Sowjetunion nicht ausgeschlossen.«
»Kukuscha!« rief Efim. »Kukuscha!« brüllte er ungeduldig.
»Was ist los?« Die hereinstürzende Kukuscha war zu Tode erschrocken.
»Es geht los! Es geht los!« Efim war außerordentlich erregt, er deutete auf den Empfänger und sagte abgehackt: »Sie. Im Augenblick. Von mir. Sie haben es gesagt.«
»Was haben sie gesagt?«
»Sie haben gesagt: Efim Rachlin, einer der führenden sowjetischen Schriftsteller. Und dann auch Karetnikow erwähnt, aber sogar sein Name war falsch. Kannst du dir vorstellen: einer der führenden sowjetischen Schriftsteller - Efim Rachlin ?«
Kukuscha betrachtete ihren Mann mit ernstem Gesicht, sie schien seine Freude nicht zu teilen.
»Glatzik«, sagte sie leise, aber mit sehr fester Stimme, »wenn sie dich nach Mordowien schicken, komme ich nicht mit. Denk dran.«
Efim war bestürzt. Er war nicht darauf gefaßt, nach Mordowien verschickt zu werden und hätte auch nicht vorgehabt, Kukuscha dorthin mitzunehmen. Aber trotzdem hätte ihm die Gewißheit sehr wohlgetan, daß sie gegebenenfalls...
Er hatte sich noch keine Antwort zurechtgelegt, als Tischka eintrat. Er hielt die Wolfsmütze in der Hand.
»Papa, wenn du so weitermachst, muß ich dir abschwören oder Natascha um eine Einladung nach Israel bitten.«
Tischka legte die Mütze auf einen Stuhl und verschwand. Efim ließ sich auf das Sofa fallen und blieb lange regungslos sitzen, beide Hände an die Schläfe gepreßt.
»Da haben wir's.« Er lächelte vor sich hin und sprach ganz leise. »Mein Sohn wird sich von mir lossagen, meine Frau
Weitere Kostenlose Bücher