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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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zurück. Vor ihm stand Wassja Trjoschkin, verkrampft, mit einer zuckenden, zwinkernden linken Gesichtshälfte, unrasiert, ungekämmt, in einem speckigen Schlafanzug von unbestimmter Farbe und Hausschuhen an den bloßen Füßen.
    »Möchten Sie zu mir ?« Efim traute seinen Augen nicht.
    Trjoschkin nickte stumm.
    »Bitte kommen Sie herein.« Efim trat zuvorkommend zur Seite. »In meinem Zimmer ist leider noch nicht aufgeräumt. Bitte, gehen wir in die Küche.«
    Trjoschkin schlurfte über den Flur und schielte nach den getrockneten Seesternen an den Wänden - zu seiner größten Verblüffung waren es fünfstrahlige Sterne.
    Efim bot seinem Nachbarn einen Hocker an und räumte die Pfanne vom Tisch.
    »Trinken Sie einen Tee? Kaffee? Oder etwas Gehaltvolleres?« Efim zwinkerte seinem Gast zu.
    »Nein.« Trjoschkin schüttelte den Kopf. »Gar nichts. Gestern habe ich etwas über Sie gehört. Von dort!« Er deutete auf die Decke. »Man kennt Sie dort.«
    »So sieht es aus«, bestätigte Efim nicht ohne Stolz.
    »So was!« Trjoschkin schüttelte abermals den Kopf und fragte leise: »Haben Sie ein Blatt Papier?«
    » Schreibpapier ?«
    »Ja, und...« Trjoschkin bewegte die Hand, als wollte er schreiben.
    »Und ?« wiederholte Efim verdutzt und verstand im gleichen Augenblick: »Aha, eine Feder.«
    Trjoschkin verzog das Gesicht und deutete mit beiden Händen auf die Wände und auf die Decke, wo er eine Abhöranlage vermutete.
    Efim lief in sein Arbeitszimmer. Er beeilte sich, weil er fürchtete, daß Trjoschkin Gift in die Kaffeemaschine streuen könnte.
    Er nahm das erste beste Blatt, jedoch nicht vom Stapel des neuen, unbeschriebenen Papiers, mit dem er geizte, sondern aus dem am Tischrand liegenden Stoß, der aus zerknüllten oder bekritzelten, aber immer noch für Notizen brauchbaren Zetteln bestand. Auf dem Weg in die Küche las er die Notiz auf der einen Seite, aber sie war ganz belanglos.
    »Bitte.« Efim legte das Blatt mit der unbeschriebenen Seite nach oben vor Trjoschkin auf den Tisch und den Füller daneben. Dieser musterte abermals mißtrauisch Wände und Decke, ließ seinen Blick länger auf der elektrischen Birne verweilen, offenbar ein dort verstecktes Objektiv vermutend, und winkte schließlich ab. Er schrieb und schob das Blatt Efim zu.
    Efim klopfte die Taschen ab, lief hinaus, kam mit der Brille zurück und las: »ICH BITTE UM AUFNAHME BEI DEN JU-DEN-FREIMAURERN«
    Kopfschüttelnd sah er Trjoschkin an. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    Trjoschkin zog das Blatt zurück und schrieb dazu: »ICH BITTE HERZLICH!«
    Er drückte beide Hände an die Brust und nickte.
    Efim hob die Schultern und streckte die Arme aus, um seine völlige Ahnungslosigkeit auszudrücken.
    »Er traut mir nicht«, dachte Trjoschkin.
    Irgendwo bimmelte das Telefon.
    »Entschuldigen Sie.« Efim trottete abermals in sein Arbeitszimmer. Das Telefon klingelte leise, hinterhältig und unheilverkündend.
    »Guten Tag, Efim. Hier spricht Lukin.«
    »Guten Tag«, antwortete Efim plötzlich hellwach.
    »Efim«, Lukins Stimme klang gespielt munter, »ich glaube, wir sollten uns einmal unterhalten.«
    »Wirklich ?« fragte Efim ironisch. »Haben wir ein Problem ? Ist etwas passiert?«
    »Efim Semjonowitsch!« Lukin wurde sichtlich nervös. »Sie wissen sehr gut, was passiert ist. Es ist sehr viel passiert, worüber es sich zu unterhalten lohnt.«
    Währenddessen überlegte Wassja Trjoschkin in der Küche fieberhaft, wie er Rachlin überzeugen könne. »Ja, er traut mir nicht«, dachte er niedergeschlagen, nahm das Blatt, wollte es zerreißen, hielt es aber nach alter Gewohnheit gegen das Licht und erstarrte. Mit eindeutig russischen Buchstaben, aber auf jüdische Art von rechts nach links, stand da etwas geschrieben. War das eine Antwort auf seine Bitte ? Er drehte das Blatt um und las nun von links nach rechts: Die ersten vier Buchstaben - großes Musikwerk, die letzten sechs Buchstaben - zugeteiltes Quantum Lebensmittel. Das Ganze - chirurgischer Eingriff, neun Buchstaben. Trjoschkin addierte vier und sechs und kam auf zehn. Auf dem Blatt stand aber neun. Kabbalistische Mathematik, dachte Trjoschkin entzückt, aber ohne die leiseste Hoffnung, dieses Rätsel lösen zu können. Dennoch war er überzeugt, daß er es lösen mußte, möglicherweise war es die Bedingung, um bei den Juden-Freimaurern aufgenommen zu werden. Schlimmstenfalls konnte er ja Tscherpakow um Rat fragen. Er faltete das Blatt zweimal, schob es in die Tasche seines Schlafanzugs

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