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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Beginn jedes Monats kam er in die Stadt , u m sein e Kreditkartenrechnunge n abzuhole n un d ei n paar Tag e be i seine r Tochte r z u verbringen . Da s wa r de r einzige Aspek t seine s Lebens , de r sic h nich t änderte , di e einzige Verpflichtung , de r e r noc h nachkam . Mitt e Oktobe r reist e er eigen s z u Juliette s Geburtsta g a n (mi t eine m Armvoll Geschenke) , un d Weihnachte n wuch s sic h z u einer ausgelassene n Dre i - Tag e - Feier aus, in deren Verlauf Nashe als Weihnachtsman n auftra t un d zu r Unterhaltun g aller Anwesende n au f de m Klavie r spielt e un d Liede r sang . Kaum eine n Mona t späte r öffnet e sic h ih m unerwarte t ein e zweit e Tür. Un d zwa r i n Berkeley , Kalifornien , un d wi e fas t alles , wa s e r in diesem Jahr erlebte, ergab es sich durch reinen Zufall. Eines Nachmittag s hatt e e r eine n Buchlade n betreten , u m sic h fü r die nächst e Etapp e seine r Reis e mi t Bücher n z u versorgen , un d dort zufällig eine Frau getroffen, die er noch aus Boston kannte. Ihr Nam e wa r Fion a Wells , un d si e erblickt e ih n vo r dem Shakespeare - Regal , w o e r sic h n ich t entscheide n konnte , welche einbändige Ausgabe er mitnehmen sollte. Sie hatten sich seit einige n Jahre n nich t meh r gesehen , abe r anstat t ih n auf irgendein e konventionell e Weis e z u begrüßen , schlic h si e sich an ihn heran, tippte mit dem Finger auf einen de r Shakespeares und sagte: «Nimm diesen, Jim. Er hat die besten Anmerkungen un d di e lesbarst e Schrift.»
    Fion a wa r Journalisti n un d hatt e einma l ei n Featur e übe r ihn fü r de n Glob e geschrieben : «Ein e Woch e i m Lebe n eines Bostoner Feuerwehrmanns». Es war das übliche Sonntagsbeilagengeschwafel, ausgeschmückt mit Fotos und Bemerkungen seiner Freunde, aber Nashe hatte sich über Fiona amüsiert , j a ziemliche n Gefalle n a n ih r gefunden , un d nachdem si e zwe i ode r dre i Tag e mi t ih m herumgezoge n war , hatt e er gespürt , daß sie sich von ihm angezogen zu fühlen begann. Gewisse Blicke, gewisse zufällige Berührungen mit den Fingern wurde n imme r häufige r – aber damals war Nashe noch verheiratet , un d e s ka m nich t z u dem , wa s durchau s hätte geschehe n können . Ei n paa r Monat e n ach Erscheinen des Artikel s beka m Fion a eine n Jo b be i Associate d Pres s i n San Francisco , un d danac h hatt e e r si e au s de n Auge n verloren.
    Si e wohnt e i n eine m kleine n Hau s i n de r Näh e der Buchhandlung , un d al s si e ih n dorthi n einlud , u m übe r di e alten Zeite n in Boston zu reden, wurde Nashe klar, daß sie noch imme r ungebunde n war . E s wa r ers t kur z vo r vier , al s si e dort ankamen, aber sie machten zur Unterhaltung im Wohnzimmer gleich eine Flasche Jack Daniel’s auf. Binnen einer Stunde war Nash e nebe n Fion a au f d i e Couc h gerückt , un d weni g später schob er ihr die Hand unter den Rock. Das Ganze hatte für ihn etwas seltsam Unausweichliches, als müsse auf ihre zufällige Begegnung unbedingt eine Ausschweifung, ein anarchisches Fes t folgen . Si e ware n nich t di e Urhebe r eines Ereignisses, sonder n versuchte n ehe r mi t eine m Schrit t z u halten , un d als Nashe dann seine Arme um Fionas nackten Körper schlang, war sei n Begehre n s o mächtig , da ß e s scho n a n ei n Gefüh l des Verluste s grenzt e – den n e r wußte , da ß e r si e a m Ende entt ä usche n mußte , da ß frühe r ode r späte r de r Augenblic k käme, i n de m e r sic h wiede r nac h de m Wage n sehne n würde.
    E r blie b vie r Nächt e be i ihr , un d allmählic h fan d e r heraus, daß sie viel tapferer und klüger war, als er sich eingebildet hatte.
    «Glau b nicht , da ß ic h nich t darau f au s war» , sagt e si e a m letzten Aben d z u ihm . «Ic h weiß , d u liebs t mic h nicht , abe r deswegen bi n ic h trotzde m nich t di e Falsch e fü r dich . D u bis t ein Besessener , Nashe , un d wen n d u wiede r we g mußt , n a schön, dan n muß t d u ebe n wiede r weg . A be r vergi ß nicht , da ß ic h hier bin . Wen n e s dic h irgendwan n noc h ma l danac h gelüste n sollte, mi t eine r in s Bet t z u steigen , den k a n mein s zuerst.»
    E r mußt e einfac h Mitlei d mi t ih r haben , abe r i n diese s Gefühl mischt e sic h auc h ein e Spu r Bewunderun g – womö g lic h sogar meh r al s das : de r Verdacht , da ß e r si e a m End e liebe n könnte. Al s e r sic h plötzlic h ei n Lebe n volle r Witzeleie n un d zärtlichem Se x mi t Fion a

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