Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
am Ende!»
Die Mädchen waren enthusiastisch. «Also, wie hört es auf?», fragte Sophia. «Was ist jetzt dein Fazit?»
«Ich habe mich für eine Art Mischform entschieden», sagte ich. «Das Beste aus beiden Welten. Die chinesische Methode, bis das Kind achtzehn ist, damit es Selbstvertrauen entwickelt und den Wert von Bestleistungen schätzen lernt, danach die westliche Art. Jedes Individuum muss sich seinen Weg selbst suchen», fügte ich edel hinzu.
«Wie bitte – achtzehn?», sagte Sophia. «Das ist doch keine Mischform. Das ist reinste chinesische Erziehung die ganze Kindheit hindurch.»
«Ich glaube, du siehst das zu technisch, Sophia.»
Dennoch kehrte ich noch einmal ans Reißbrett zurück. Drehte weitere Räder, erzeugte weitere Blindgänger. Aber schließlich kam der Tag, an dem ich die Mädchen fragte, wie das Buch denn ihrer Meinung nach enden sollte.
«Na ja», sagte Sophia, «willst du die Wahrheit erzählen oder eine gute Geschichte?»
«Die Wahrheit», antwortete ich.
«Das wird schwer, denn die Wahrheit verändert sich dauernd», sagte Sophie.
«Aber nein», sagte ich, «ich habe ein perfektes Gedächtnis.»
«Und warum schreibst du dann dauernd das Ende um?», fragte Sophia.
«Weil sie nicht weiß, was sie eigentlich sagen will», schlug Lulu vor.
«Die vollständige Wahrheit kannst du nicht sagen», belehrte mich Sophia. «Du hast wahnsinnig viele Fakten ausgelassen.Und das heißt, dass es niemand wirklich verstehen kann. Zum Beispiel wird jeder denken, dass ich der chinesischen Erziehungsmethode unterworfen wurde, aber das stimmt nicht. Ich habe mitgemacht, freiwillig.»
«Nicht, als du klein warst», sagte Lulu. «Als wir klein waren, durften wir überhaupt nichts selber entscheiden, außer so was wie: ‹Möchtest du sechs Stunden üben oder fünf?›»
«Entscheiden – ich frag mich, ob darauf alles hinausläuft», sagte ich. «Im Westen glaubt man an Wahlfreiheit, in China nicht. Ich habe mich über Popo lustig gemacht, dass sie Daddy die Wahl ließ, ob er Geige lernen will oder nicht. Natürlich hat er sich dagegen entschieden. Aber, Lulu, wer weiß denn, was passiert wäre, wenn ich dich nicht gezwungen hätte, bei Juilliard vorzuspielen oder so und so viele Stunden am Tag zu üben. Was weiß man? Vielleicht würdest du immer noch gern Geige spielen. Oder was, wenn ich dich dein Instrument selbst hätte aussuchen lassen? Oder wenn ich dich gar kein Instrument hätte spielen lassen? Aus Daddy ist schließlich trotzdem was geworden.»
«Sei doch nicht komisch», sagte Lulu. «Natürlich bin ich froh, dass du mich gezwungen hast, Geige zu spielen.»
«Na klar ! Hallo, Dr. Jekyll! Wo ist Mr. Hyde geblieben?»
«Doch, ehrlich», sagte Lulu. «Ich werde sie immer lieben, die Geige. Ich bin sogar froh, dass du mich gezwungen hast, Potenzen auswendig zu lernen. Und zwei Stunden am Tag Chinesisch.»
«Im Ernst?», fragte ich.
«Ja», nickte Lulu.
«Also so was!», sagte ich. «Wenn ich’s recht bedenke, waren das ja auch weitreichende Entscheidungen, die wir getroffen haben, obwohl sich alle Sorgen machten, ihr beidekönntet dauerhaften psychischen Schaden nehmen. Und wisst ihr, je mehr ich darüber nachdenke, desto wütender werde ich. Wirklich, diese westlichen Eltern, die immer so ganz genau wissen, was gut für die Kinder ist und was nicht – ich bezweifle sehr, dass diese Eltern überhaupt Entscheidungen treffen. Sie tun einfach nur, was alle tun. Sie hinterfragen auch nichts – dabei sollte das doch genau das sein, worin man im Westen angeblich so gut ist. Sie wiederholen einfach Lehrsätze wie: ‹Man muss den Kindern die Freiheit lassen, ihren Leidenschaften nachzugehen›, wenn sonnenklar ist, dass die ‹Leidenschaft› dazu führt, dass man zehn Stunden am Tag in Facebook rumhängt, was eine totale Zeitverschwendung ist, und sich mit widerlichem Junkfood vollstopft – ich sag euch, mit diesem Land geht es geradewegs steil bergab ! Kein Wunder, dass westliche Eltern ins Pflegeheim abgeschoben werden, wenn sie alt sind! Tut mich ja nicht ins Heim! Und ich will auch nicht, dass mir der Stecker rausgezogen wird …»
«Reg dich wieder ab, Mama», sagte Lulu.
«Wenn die Kinder irgendwo versagen, rennen westliche Eltern als Erstes zum Anwalt, statt dass sie ihnen sagen, sie sollen sich gefälligst mehr anstrengen!»
«Von wem redest du eigentlich?», fragte Sophia. «Ich kenne keine westlichen Eltern, die je zum Anwalt gerannt sind, weil ihre Kinder in der Schule
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