Kein Schlaf für Commissario Luciani
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|7| Prolog
Barbara Ameri setzte sich an den Schreibtisch und schaltete Computer und Drucker ein. Es dauerte einige Minuten, ehe sie bereit waren. »Nur ruhig Blut«, dachte sie, »ich habe nichts Unrechtes getan, es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen.«
Aber ihre Handflächen waren schweißnass, und ein Gefühl von Übelkeit kroch ihr die Kehle hoch. Dasselbe Gefühl wie an jenem Sonntagmorgen, als die Wirkung der Mojitos verflogen war und sie neben sich, in ihrem Bett, den Geruch jenes warmen muskulösen Körpers wahrgenommen hatte. Inzwischen waren drei Wochen vergangen, aber manchmal schien dieser Geruch noch an ihr zu haften. Sie schaute aus dem Fenster: ein wunderschöner Morgen. Zum Mittagessen würde sie nicht heimkehren, sondern ein Stück Pizza und eine Cola kaufen und sich auf eine Bank an der Uferpromenade setzen, vor dem Schloss. Sie brauchte jetzt ihre Ruhe, wollte an nichts denken, nur in der Sonne ihre Kreuzfahrt-Bräune auffrischen.
Sie erinnerte sich genau, wo die Datei war. Sie öffnete das Dokument, kontrollierte schnell den Inhalt und gab den Druckbefehl. Mit bestimmten Leuten legte man sich besser nicht an, dachte sie. Und für den Fall der Fälle brauchte man ein Ass in der Hinterhand.
Das schrille Läuten der Türklingel ließ sie hochfahren. »Schon da?«, sagte sie leise und schaute verängstigt auf die Uhr.
Für einen Moment spürte sie den übermächtigen Wunsch, nicht zu öffnen. Aber das hätte nichts gebracht. Sie atmete |8| tief ein und sagte sich erneut: »Je früher wir die Sache hinter uns bringen, desto besser.« Sie drückte auf die Taste am Schreibtisch. Ganz langsam öffnete sich die Tür.
Die Tür wurde leise wieder geschlossen. Das Foyer des Mietshauses lag verlassen da, kein Laut war zu hören. Auch Barbaras Röcheln war verstummt. Die Person wagte nicht, sich umzudrehen und zu überprüfen, ob sie tot war. Sie konnte es nur hoffen, denn an Stelle der Arme spürte sie zwei absurde Fortsätze aus Schaumgummi – damit hätte man nicht einen Schlag mehr führen können.
Der Besucher kontrollierte noch einmal den Pullover: ein paar kleine Blutflecken, aber es war unwahrscheinlich, dass jemand sie bemerkte. Alles, was nun zu tun blieb, war, sich aufzumachen. Nach Hause gelangen, sich umziehen. Den Plan umsetzen und die Beweise verschwinden lassen. Die Schlampe war tot, jawohl. Sie musste tot sein. Bestimmte Verletzungen überlebte man nicht, außerdem würde noch reichlich Zeit vergehen, ehe jemand Alarm schlug. Ausreichend Zeit, um zu verbluten.
Die Gestalt gab sich einen Ruck.
|11| Montag
Luciani & Giampieri
Seit vierzig Minuten hielt er ein ordentliches Tempo, er kam an den Kais des Alten Hafens vorbei. Begonnen hatte er beim Aquarium, dem von der Sonne geküssten und vor dem Wind geschützten Kleinod, wo die besten Bänke durchweg von Pennern und Betrunkenen belegt waren. Dann war er zum Kai des Tabakladens, zur Car-Sharing-Brücke, zum Busparkplatz der Parodi-Brücke und von dort auf die lange Gerade Richtung Hafenstation gelaufen. Dort war er umgekehrt, um erneut den ganzen Hafen zu durchqueren, bis zu Bigo, dem runden Tunnel und der Schwimmbad-Kurve. So kommentierte er seinen Kurs, als handelte es sich um das Formel-1-Rennen in Monte Carlo. Ein billiger Trick, um gegen die Trainingsmonotonie anzukämpfen und dabei ein bisschen das Tempo zu steigern. Er ließ noch einmal die CD von REM laufen und begann – die Stoppuhr im Blick – seine Runden an den Baumwolllagern. Eine Runde war etwa einen Kilometer lang, die optimale Distanz für Intervalltraining: eine Runde in zirka vier Minuten und zwanzig Sekunden, dann eine zum Regenerieren, möglichst unter vier Minuten fünfzig, usw., eine Einheit nach der anderen, so lange es ging. Es war schon zehn Uhr morgens, aber auf den Kais war wenig los, kaum jemand kreuzte den langen dünnen Schatten, den er warf.
»Okay«, sagte er, »probieren wir es mal mit dieser Massage.« Er atmete tief durch, entspannte die Schultern, schloss die Augen und konzentrierte alle seine Empfindungen auf sie. In der Luft hing der Duft ihres Haares und |12| ihrer Gesichtscreme. Sie berührte ihn mit ihrer Brust, er erschauerte, und statt sich zurückzuziehen, legte Amalia ihm die Brust wie zufällig an die bequemste Stelle, zwischen den Schultern. Die Berührung ihrer Finger entlockte ihm ein Lächeln der Glückseligkeit. Sie waren wie flüssige Tentakel, die ihm ein Beruhigungsmittel ins Hirn injizierten.
»Du kannst
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