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Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Titel: Die nachhaltige Pflege von Holzböden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Wiles
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Schaden fast sichtbar zu hinterlassen, und doch so, dass er niemals darauf kommen würde, war einfach zu verlockend.
    Die übrigen Nägel aus den Halteplanken zu ziehen, um das Dielenbrett abzulösen, war nicht weiter schwierig. Darunter wartete eine Enttäuschung – eine dicke Schicht Isoliermaterial und ein Draht, der an die Schwelle getackert war. Es war nicht einmal schön staubig – die Isolierung sah neu aus.
    Ich musterte das lose Brett und wunderte mich über die Weinflecken. Seltsamerweise waren sie auf der falschen Seite, dort, wo die Nägel herausragten, der Unterseite. Ich drehte es um und sah mir die Oberseite an. Weinflecken.
    Das war alarmierend. Konnte der Wein durch die Ritzen gesickert sein, wie Grundwasser in eine lichtlose Höhle? Die Dielen waren so dicht zusammengefügt, dass höchstens der eine oder andere Tropfen hindurchgelangt sein konnte, und eigentlich nicht mal das. Die Dielenbretter waren auf beiden Seiten gleich glatt poliert, konnten also gewendet werden – es sei denn, sie waren auf beiden Seiten fleckig.
    Nach einem Schluck Wein machte ich mich an das nächste Brett, schob behutsam das Pfannenmesser darunter und stemmte es hoch. Wieder gaben die Nägel erstaunlich leicht nach, und das Brett ließ sich hochheben. Wenn dieses hier auch nicht umgedreht werden konnte, dann war es wohl an der Zeit, aufzugeben. Ich zog das Brett mit bloßen Händen heraus und drehte es um.
    Alles war vorbei. Hier sah die Unterseite sogar noch übler aus, ein riesiger roter Streifen, wie ein Feuermal, und außerdem auch noch eine Einkerbung, als wäre irgendetwas Schweres, Kantiges auf das Holz gekracht. Seufzend ließ ich das Brett sinken und ließ mich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. Endlich unbesorgt, was den Boden betraf, stellte ich die offene Weinflasche und das Glas auf den Fleck neben mir und sah mir die lose Diele genauer an.
    Der Schaden ergab keinen Sinn. Wie konnte so viel Wein durch das Holz gesickert sein? Und wieso hatte der Wein sich auf der Unterseite ausgebreitet, anstatt einfach auf die Isolierung hinabzutropfen? Gut, es mochte kleine Wunder im Zusammenhang mit Oberflächenspannung und Kapillareffekt geben, und selbst wenn ich sie nicht verstand, konnte ich mir vorstellen, dass sie einiges bewirkten. Aber das hier schien doch weit über solche Wunder hinauszugehen.
    Und noch etwas, das mich schon die ganze Zeit irritiert hatte, stach mir plötzlich mit solcher Klarheit ins Auge, dass ich mich fragte, wieso ich nicht schon eher darauf gekommen war: Die Flecken im Holz hatten auf beiden Seiten die gleichen Eigenschaften.
    Jemand hatte versucht, die andere Seite der Holzdiele zu säubern.
    Oskar hatte seinen eigenen Boden ruiniert.
    Ich zog noch ein drittes Brett heraus, und es erzählte die gleiche Geschichte, ein spektakuläres Rotweindesaster. Die vertrauten Muster von Spritzern und Platschern mit einer neuen Variation: einem Sohlenabdruck. Auf dem vierten Brett, das ich anhob, gab es Spuren von Sandpapier und hilflosen Polierversuchen. Da waren meine eigenen Mühen schon etwas erfolgreicher gewesen. Ich fühlte eine leise Euphorie in mir aufsteigen – eine ungläubige, kichernde Schadenfreude. Diese Dielen waren nach allen Regeln der Kunst versaut – die vierte wies auch noch Zeichen von fehlgeschlagener Säurebehandlung auf, die das Holz hatte ausbleichen lassen und die Maserung aufquellen wie eine allergische Reaktion. Kein Wunder, dass Oskar sich so vor einer Beschädigung des Bodens fürchtete. Er wusste aus erster Hand, wie schwer es war, ihn auszubessern, wusste, dass manche Dielen schon einmal gewendet worden waren und ihr Recht auf Rettung verwirkt hatten. Was für eine Genugtuung! Ich hätte mich kringeln können vor Vergnügen.
    Im Boden klaffte jetzt ein breiter Graben, der die hochmütige, nahtlose Perfektion verdarb. Seine Mystik war entweiht. Ich beugte mich vor, um eine fünfte Diele hochzuheben – und hielt inne.
    Unter den Dielen, auf dem Bett aus Isolierwolle, lag ein Zettel mit Oskars Handschrift. Ich zog ihn hervor.
    Mein lieber Freund,
    in dem Buch über die Pflege von Holzböden wird geraten, schwer beschädigte Dielen einfach zu wenden. Sehr einfach – wie eine zweite Chance. Aber eine dritte Chance gibt es nicht. Wenn die gleichen Dielen noch mal beschädigt werden, ist der Boden zerstört. Wenn Du also diesen Brief findest, ist alles klar. Du

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