Die nachhaltige Pflege von Holzböden
aufgewärmt. Ich ging ins Bad, riss mir die Gummihandschuhe herunter, hielt die Hände unters kalte Wasser und kühlte mir das Gesicht. Prüfend schaute ich in den Spiegel: diese Augen hatten jetzt eine Leiche gesehen, aus nächster Nähe. Sahen sie anders aus? War etwas hinzugekommen oder verschwunden?
Im Wohnzimmer hatte das Licht abgenommen, aufgesogen von schweren lilagrauen Wolkenballen. Ein Windstoà schleuderte Regentropfen ans Fenster. Der Donner rumpelte, als würden in der Wohnung oben drüber Möbel verrückt. Ich musste hier weg. Wenn nicht heute, dann morgen. Es gab nichts mehr, wofür es sich noch zu bleiben lohnte. Ich rief bei der Fluggesellschaft an. Heute sei nichts mehr frei, hieà es, aber für morgen Nachmittag könne ich einen Platz buchen. Ich gab meine Kreditkartennummern an, achtete aber kaum auf den gesalzenen Preis, den man mir nannte. Dann rief ich die Nummer von Oskars Hotelzimmer an, die auf einem der Zettel stand. In Los Angeles würde es schon sehr spät sein, aber vielleicht nicht zu spät. Doch niemand hob ab. Ich legte auf und wählte die andere Nummer, die der Hotelrezeption. Die ruhige amerikanische Stimme, die den Namen der internationalen Kette nannte, war so wohltuend, dass sie fast engelhaft klang.
Ob Oskar in seinem Zimmer sei? Man rief vom Empfang aus an; keine Antwort. Ich lieà ausrichten, Oskar solle mich anrufen, bedankte mich und legte auf.
Oskar schien mir kein so überaus tiefer Schläfer zu sein, es sei denn, er hatte eine Tablette genommen oder war betrunken. Doch ich glaubte eher, dass er nicht in seinem Zimmer war. Kalte Angst durchfuhr mich: vielleicht war er abgereist und bereits auf dem Flug nach Frankfurt. Nein, Moment mal â sicher hätte man es mir gesagt, wenn er schon ausgecheckt hatte. Aber Schatten der Angst hingen mir noch nach. Oskar nicht dort vorzufinden, wo er hingehörte, war einfach irritierend.
Schwerer, gleichmäÃiger Regen rauschte herab. Ich wusste nicht mehr, ob ich die Balkontür aufgelassen hatte, und ging schnell nachsehen. Sie war zugesperrt, und von der Katze fehlte nach wie vor jede Spur.
Der Balkon. Die Katze. Das war die Lösung, wie ich dort unten aus der Wohnung kommen konnte. Ich öffnete die Tür und trat hinaus. DrauÃen prasselte der Regen, und die Reifen zischten auf dem Asphalt. Direkt unter Oskars Balkon lag der, der zur Wohnung der Putzfrau gehörte, und darunter befand sich der nasse Gehsteig.
Jetzt oder nie, während es regnete und wenig Leute drauÃen waren. Nachdem ich die Gummihandschuhe wieder übergestreift hatte â ein Akt, der mir als solcher schon kriminell vorkam â, nahm ich den Mopp und die Schlüssel und verlieà Oskars Wohnung. Der Flur war wie üblich leer und hallte vom prasselnden Regen wieder. Irgendwo gurgelte eine unsichtbare Regenrinne.
Schnell schlüpfte ich in die Wohnung der Putzfrau â zu schnell, da unvorbereitet auf den Anblick, der sich mir im grauen Dämmerlicht bot, kaum dass ich durch die Tür trat. Die Leiche auf dem Sofa sah aus wie eine unförmige Stoffpuppe und jagte mir einen gehörigen Schreck ein. Im Lärm des Regens stand ich verdattert da, starrte auf den seltsam schiefen Kopf der Leiche und fragte mich, ob sie bewegt worden war, seit ich die Wohnung verlassen hatte.
Aber der Plan war der Plan. Ich durchforstete den Schlüsselbund, fand den richtigen und sperrte die Tür ab. Nun war ich eingeschlossen. Den Mopp lehnte ich an die Küchenwand, die Schlüssel legte ich auf die Arbeitsfläche. Auf dem Weg zurück durchs Wohnzimmer musste ich wohl oder übel einen Blick auf die Leiche werfen. Die Art, wie sie da auf dem Sofa hing, widerte mich irgendwie an â sie sah so unnatürlich aus, wie eine Karikatur von etwas, das einmal am Leben gewesen war. Diese Totheit, die endgültige, unumkehrbare Tatsache, dass das Leben aus diesem Körper gewichen war, erschien mir wie ein Hohn. Jetzt gab es kein Zurück mehr, die innere Erneuerung hatte aufgehört, alles, was blieb, war Verfall und Auflösung.
Meine Kehle war trocken; ich schluckte. DrauÃen goss es weiter, und obwohl die Leiche noch nicht begonnen hatte, die Luft zu verpesten, wirkte die Atmosphäre im Raum ungesund. Das Schlafzimmer der Putzfrau zu betreten, fachte mein schlechtes Gewissen von Neuem an â als ungeladener Fremder kam ich mir vor, als beginge ich eine weitere
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