Die Nacht der lebenden Trekkies
sein plötzliches Auftauchen erzeugte einen Chor ächzender Stimmen. Das Glas wurde noch heftiger traktiert. Aber Jim wusste, dass es halten würde. Es war kugelsicher und zwölf Millimeter dick. Die Zombies konnten den ganzen Tag auf das Glas einschlagen, ohne dass es was brachte. Nur eines konnte die Glastür zertrümmern: ein Fahrzeug. Doch das Steuern eines Fahrzeugs überstieg wohl die Fähigkeiten der vor der Tür randalierenden Bande.
Jims Beine fühlten sich bei den letzten Schritten in Richtung Aufzug an wie Nudeln. Er drückte den Rufknopf und wartete.
Und wartete.
Anfangs bemühte er sich, dem Hauseingang keinen Blick zu schenken. Doch seine Neugier und sein persönlicher Selbsterhaltungstrieb siegten. Wenn es einem dieser Dinger gelingt, ins Haus zu kommen, überlegte er, will ich ihm nicht den Rücken zudrehen.
Deswegen schaute er, während der Aufzug sich alle Zeit der Welt ließ, mal eben kurz hin.
Sein Magen stülpte sich um.
Es sind die Leute aus dem Gässchen, dachte er. Es sind die ganzen Leute, die zum Rauchen oder zum Telefonieren rausgegangen und nicht zurückgekommen sind.
In der Menge erkannte er Kai Opaka – beziehungsweise eine Frau in den mittleren Jahren, die die kunstvollen Gewänder der obersten spirituellen Führerin Bajors trug. Sie hatte eine violette Robe an und trug einen Kopfschmuck, doch ihre Kinnlade war futsch. Ihr Hals war offen und enthüllte ein knorriges Rückgrat. Und da war auch der Bursche, der mit dem Spielzeugphaser rumgemacht und sich über den schlechten Fernsehempfang beschwert hatte: Jemand hatte ein Schnitzmesser in seinen Hals gerammt, aber er stand noch auf den Beinen.
Der Aufzug kündete mit einem Ping seine Ankunft an. Jim hätte es wegen des Lärms der Horde an der Tür fast überhört.
Er stieg ein und drückte den Knopf für den dritten Stock. Er schaute sich um, doch im Lift sah alles normal aus: Kein zerbrochenes Glas, kein Blut auf dem Boden, keine herumliegenden persönlichen Gegenstände.
Die Tür schloss sich und ließ das Ächzen und Klopfen verstummen. Stattdessen hörte Jim Nichelle Nichols ihre Version von That’s Life singen.
Alles fühlte sich normal an. Einen Moment lang – und zum letzten Mal – erlaubte er sich den Luxus der Vorstellung, dass die Lage vielleicht gar nicht so schlimm war, wie sie aussah.
Sein Empfinden dauerte so lange an, wie der Aufzug brauchte, um den dritten Stock zu erreichen und die Tür zu öffnen.
10
Dagger of the Mind
Janice saß im Erdgeschoss in Dexters Büro und wippte ungeduldig mit dem Fuß. Sie musterte die Wanduhr und beobachtete den großen Zeiger, der sich von einer ereignislosen Minute zur nächsten quälte.
Das Intermezzo gab ihr Zeit zum Nachdenken. Was in ihrem gegenwärtigen Zustand das Gefährlichste war, was sie tun konnte.
Das Hotelpersonal war verschwunden. Dies galt auch für die meisten Gäste. Die Telefone funktionierten nicht mehr. In der Stadt gab es Krawalle – oder etwas, das Krawallen nahe kam. Und jetzt hatte Jim sie alleingelassen.
Sie schaute wieder auf die Uhr. Immer wenn der dünne rote Sekundenzeiger die oberste Position des Zifferblatts erreichte, sprang der Minutenzeiger mit einem deutlich hörbaren Klick einen Strich weiter. Früher war ihr das Geräusch nie aufgefallen. Wieso eigentlich?
Als Janice die Uhr musterte, traf ihr Unterbewusstsein eine Entscheidung. Statt zu versuchen, den Strudel der Ereignisse zu analysieren, schob sie sie einfach beiseite. Die sich verlängernde Liste des Grauens und der Geheimnisse dieses Abends sammelten sich in einer strammen Kugel und wurden in einer zerbrechlichen Schale des Verleugnens versiegelt.
Selbstverleugnung. Wahnvorstellung.
»Ich bin die Geschäftsführerin«, murmelte Janice vor sich hin, als fiele es ihr gerade ein. »Ich gehe diesem Beruf seit siebzehn Jahren nach. Ich muss ein Hotel leiten.«
Alles andere war gelöscht.
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Lärm in der Empfangshalle. Da waren Leute, die wollten ins Haus. Zahlende Gäste. Wahrscheinlich waren sie wütend. Es war ihre Pflicht, den Leuten zu helfen. Zumindest musste sie ihnen erklären, was los war. Kommunikation war oft der Schlüssel, mit dem man unzufriedene Gäste besänftigen konnte. Die Menschen zeigten sich angesichts suboptimaler Bedienung oft überraschend versöhnlich, wenn sie die Gründe dafür kannten. Die beste Möglichkeit für ein Hotel, das sich in Reiseführern Qualitätssterne ergattern wollte, bestand darin, die
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