Die Nacht der lebenden Trekkies
zu bluten. Sara wischte die Wunde mit einem Taschentuch ab und warf es in ihren Papierkorb. Er war schon halb voll mit anderen blutigen Tüchern.
»Ich werd schon nicht daran sterben«, versicherte sie ihm. »Treib nur Rodriguez auf, ja?«
Sarah verließ ihr Kabuff und verschwand. Jim schaute hinter ihr her.
Dann fiel sein Blick auf den Zettel. Er war voller frischer hellroter Blutflecken.
2
Balance of Terror
Dass Kleinkinder Erwachsene beißen, redete Jim sich ein, kam jeden Tag vor. Und ein betrunkener Pantomime, der nach einem Mann von der Sicherheit schnappte, war nichts, worüber man sich aufregen musste. Es war nur ein dummer Zufall.
Und doch fing seine berühmte Nase an zu kribbeln.
Im ersten Kampfeinsatz hatte Jim gelernt, sich auf seine Sinne zu verlassen – als ihm bewusst geworden war, dass er, etwa eine halbe Minute bevor die Kacke anfing zu dampfen, immer wusste, dass sie gleich anfangen würde zu dampfen. Sein Sergeant hatte gemeint, dies erinnere ihn daran, dass Hunde immer spürten, wann ein Erdbeben im Anmarsch war.
Jim hatte sich diesen Ruf schon am Anfang des ersten Einsatzes erworben – während einer Patrouille mit seiner Gruppe. Sie waren über einen Trampelpfad marschiert, den die Einheimischen großspurig einen Weg nannten. Am Rand des Pfades stand ein verrosteter alter Kleinlaster, der den Eindruck erweckte, er hätte schon vor dem Einmarsch der Sowjets dort gestanden. Jims Gruppe war an einem Dutzend Tagen ein Dutzend Mal daran vorbeigegangen. Das Wrack war für sie zu einem Teil der Landschaft geworden.
Nur heute nicht. Als sie sich ihm näherten, wurde Jim bewusst, dass das Bild irgendwie nicht mehr stimmte. Er wusste zwar nicht genau, woran es lag, aber er spürte es so intensiv, dass er seinen ganzen Mut zusammennahm und es dem Captain erzählte, der die Patrouille anführte. Es überraschte ihn nicht, dass der Captain ihm befahl, in die Einzelheiten zu gehen.
»Die den Wagen umgebende Vegetation hat sich verändert«, sagte Jim und dachte schnell nach. »Ich glaube, hier dreht irgendjemand ein schmutziges Ding.«
Jim zufolge hätte es durchaus sein können. Vielleicht war dies das Detail, das sein stets wachsames Unterbewusstsein registrierte. Wichtiger war, dass seine Einheit den Laster weitläufig umging, und dass der Captain später Feuerwerker in Marsch setzte, die seine Motorhaube öffneten und darunter auf zwei frisch platzierte 105-mm-Artilleriegranaten stießen, die mit einem funkgesteuerten Detonator verbunden waren. Wer immer auch ausgewählt worden war, den Knopf zu drücken: Er hatte sich längst verzogen.
Deswegen wusste Jim, dass er einen sechsten Sinn für Gefahren hatte. In Kampfgebieten, in denen er die Gefahren verstand, leistete ihm dieser Sinn gute Dienste. Doch nun, an einem sonnigen Augusttag, stand er, während sein sechster Sinn um seine Beachtung buhlte, in einem Zwei-Sterne-Hotel und war von arglosen Zivilisten umgeben. Jim hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging.
Vielleicht ist mir nur langweilig, dachte er. Vielleicht bin ich diesen Scheißjob hier so leid, dass mein Unterbewusstsein versucht, irgendwas für mich zu fabrizieren, über das ich mir Sorgen machen kann.
Mit Sarahs Zettel zwischen Daumen und Zeigefinger schritt er durch den endlosen Gang, der die Empfangshalle mit dem Endeavour Room verband, dem Haupttagungssaal des Hotels. Rechter Hand reihten sich Toiletten und Vorratsräume aneinander. Die Türen an der linken Seite führten in kleinere Versammlungs- und Speiseräume. Vor den meisten Türen standen Staffeleien, die verkündeten, wo irgendwann am Nachmittag die Veranstaltungen »Wie man mit einem Transporter dem Tod ein Schnippchen schlägt« oder »Klingonen, Bynaren und Gorn: Au weia!« stattfanden.
Jim verharrte gerade lange genug, um sich ein riesiges Plakat anzusehen, das jemand an die Auditoriumstür geklebt hatte. Es verkündete, dass ein Harvard-Professor namens Eli Sandoval, ein anerkannter Exobiologe, der zu den führenden Autoritäten der Welt in Sachen Möglichkeiten außerirdischen Lebens zählte, am Samstagabend die Hauptrede hielt. Jim fragte sich, wie es den Organisatoren gelungen war, mitten im August diesen Mann von einer Eliteuniversität nach Houston zu locken.
Als er den Eingang des Endeavour Room erreichte, der gleich gegenüber der Anmeldung für die Con-Teilnehmer lag, war Sarahs Blut auf dem Zettel fast getrocknet. Es war nun 17:15 Uhr, und in weniger als einer Stunde war Jim mit seiner Schwester
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