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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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einem Arbeiter zu, kramte einen Schlüssel aus der Tasche und warf ihn der Engländerin zu. »Wie sagen die vornehmen Leute in der Stadt? Schlüsselfertig.«
    Dolly stand vor Staunen der Mund offen. »Außen hui und innen pfui? Im Haus gibt es doch sicher noch einiges zu tun. Nicht mal ein irischer Zimmermann, der sich für den Allergrößten hält, und seine Crew könnten in so kurzer Zeit ein fertiges Roadhouse hinstellen. Oder wollen Sie etwa behaupten …«
    Sie kam nicht dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, denn inzwischen hatte Jerry sie am Oberarm gepackt und zog sie grinsend zur Eingangstür. Clarissa folgte ihnen neugierig, und hinter ihr drängten die restlichen Arbeiter zur Tür.
    »Leider gab es keinen unter uns, der sich mit dem Nähen von Vorhängen und Tischdecken auskannte, und mit der Bettwäsche hatten wir auch unsere liebe Not und Mühe, aber wir haben uns erlaubt, das Haus mit den wichtigsten Möbeln und einem Tresen zu bestücken und die Bar einzurichten. Damit kannten wir uns am besten aus, aber großes Pfadfinder-Ehrenwort …« Er hob drei Finger wie zu einem Schwur. »… wir haben keinen Tropfen angerührt.«
    »Ich glaube dir kein Wort, du irischer Aufschneider!«, erwiderte Dolly, als sie auf die Veranda trat. »Und sag nicht wieder ›Mrs Carmack‹ oder ›Ma’am‹ zu meiner Freundin, sonst könnte es sein, dass sie ihre gute Kinderstube vergisst und dir ordentlich eins hinter die Löffel gibt. Stimmt’s, Clarissa?«
    »Stimmt genau«, spielte Clarissa mit.
    Vor der Tür blieb Jerry stehen, als wollte er die Überraschung noch ein wenig hinauszögern. »Wirst du mich denn heiraten, wenn wir das Haus so eingerichtet haben, wie du es dir vorgestellt hast? Ich meine, so richtig mit einem Pfarrer und allem Drum und Dran? In Fairbanks gibt es einen Wanderprediger, einen gewissen Reverend O’Neill, der würde sofort kommen, wenn ich ihn rufe, und sich auch nicht daran stören, dass wir uns noch nicht so lange kennen, obwohl er katholischer als der Papst zu sein scheint. Es ist schließlich nicht deine Schuld, dass du mich jetzt erst kennengelernt hast. Wenn du willst, reicht mir auch ein protestantischer Pastor oder ein Friedensrichter. Hauptsache, die Sache ist offiziell, und unsere vielen Kinder wachsen in ordentlichen Verhältnissen auf.«
    Dolly lachte. »Wir werden sehen, Jerry, zeig mir erst mal das Haus!«
    Jerry öffnete die Eingangstür und führte Dolly und Clarissa in den Gastraum. Den beiden Frauen blieb beinahe die Spucke weg. Vier runde Tische mit jeweils vier Stühlen standen gegenüber einem langen Tresen, der sich durch den halben Raum zog und in den eine Waschschüssel zum Reinigen der Gläser eingearbeitet war. Hinter dem Tresen erhob sich ein Regal mit mehreren Flaschen und Gläsern. Ein schweres Bierfass stand an einem Kopfende.
    »Wow!«, staunte Dolly nur.
    Clarissa war fassungslos.
    »Wie gesagt, an die Vorhänge und Tischdecken wollte sich keiner heranwagen«, spielte Jerry den Bescheidenen. »Aber an das Wichtigste haben wir gedacht.« Er ging in die Küche voraus und deutete stolz auf einen schweren Eisenherd, nicht mehr ganz neu, wie man sehen konnte, aber sofort einsatzbereit. »Na, was sagst du jetzt? Den Herd, die Öfen und die Fenster haben wir einem reichen Fatzke aus Seattle abgekauft, der einen Saloon in Fairbanks eröffnen wollte und schon unterwegs pleite ging. Ein absoluter Glücksfall!«
    »Das kann man wohl sagen!«, erwiderte Dolly. Sie strich mit der flachen Hand über den Ofen, berührte den Küchentisch und den Schrank mit dem Geschirr und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. »Und das Geschirr? Habt ihr das auch von dem Pleitegeier? Oder gab’s noch andere Quellen?«
    Jerry grinste schon wieder. »Das haben wir aus Anchorage kommen lassen. Von einer reichen Witwe, an deren Haus ich mitgebaut hatte. Sie war immer noch begeistert von meiner Arbeit und hat es uns zum Spottpreis überlassen. Von ihr haben wir auch … Aber das soll eine Überraschung werden.«
    Auch die Schlafzimmer waren nach ihrem Geschmack eingerichtet, und als sie in den Gastraum zurückkehrten, grinste Dolly genauso breit wie der Ire. »Was meinst du, Clarissa? Haben wir uns das Roadhouse so vorgestellt?«
    »Und ob, Dolly! So ein schönes Roadhouse habe ich noch nie gesehen, aber es ist vor allem dein Haus, und dir muss es gefallen. Solange ich meine Schulden nicht abgearbeitet habe, gehört mir nicht mal ein kleines Bierglas.«
    Dolly winkte ab. »Unsinn! Es gehört uns

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