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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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beiden, und um die Schulden mach dir mal keine Sorgen. Die hast du in ein paar Wochen abgearbeitet.«
    Clarissa lächelte dankbar, glaubte aber dennoch, recht zu haben. Wenn Dolly und Jerry heirateten, was so gut wie sicher war, würden die beiden das Roadhouse bewirtschaften, und sie würde sich damit begnügen, beim Kochen oder Bedienen zu helfen. Schon während der Rückfahrt war in ihr der Gedanke gereift, es vielleicht doch mit dem Fallenstellen und der Jagd zu versuchen. Sie hatte Alex oft genug begleitet, um sich an seine Arbeit zu wagen.
    Dolly griff nach einem Bierglas und schlug mit einem Löffel dagegen. »Alle mal herhören!«, rief sie. »Ihr habt eure Arbeit besser erledigt, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen erhofft habe. Dieses Roadhouse ist ein absolutes Juwel, und ich wette, wenn ihr euch ein bisschen angestrengt hättet, wären auch ein passable Vorhänge und Tischdecken dabei herausgekommen. Deshalb habe ich beschlossen, euch allen den doppelten Lohn zu bezahlen.«
    Der Jubel kannte keine Grenzen, doch Jerry verschaffte sich Gehör und rief: »Den doppelten Lohn nehmen wir gerne an, Dolly, aber das Beste kommt doch erst noch!« Er freute sich wie ein kleines Kind, das einem anderen beim Geschenkeauspacken zusieht. »Du hast dein Zimmer noch gar nicht gesehen!« Er öffnete die Tür zum Anbau, benahm sich so feierlich wie ein Fabrikbesitzer, der seine neuste Erfindung präsentiert, und ließ Dolly und auch Clarissa den Vortritt. »Und wenn du mich jetzt nicht heiratest, weiß ich auch nicht mehr, was ich noch anstellen soll, um dich zu beeindrucken.«
    »Ein Klavier! Ein verdammtes Klavier!«, staunte Dolly.
    Das Klavier stand frisch geputzt und poliert in der Mitte des Raumes, zwischen dem Bett und der Nähmaschine, außerdem gab es noch einen Schminktisch, einen Waschtisch und eine Kommode. Weder ein Klavier noch eine Nähmaschine hatte Clarissa gesehen, seitdem sie vor etlichen Jahren aus Vancouver weggezogen war. So einen Luxus gab es nur in den großen Städten.
    Und wenn Jerry seine Finger im Spiel hatte. »Hab ich ebenfalls von der Millionärin«, berichtete er stolz, »hat ein befreundeter Fallensteller mit dem Hundeschlitten nach Fairbanks gebracht. Glaub mir, so hab ich Hunde noch nie hecheln sehen!« Er klopfte auf das lackierte Holz. »Na, willst du mich jetzt heiraten? Morgen ist Samstag, das ist ein idealer Tag zum Heiraten.«
    »Wenn du mir ein Ständchen spielen kannst?«
    Zu ihrer großen Überraschung setzte sich der hünenhafte Ire auf den winzigen Hocker und klappte den Deckel auf. Nachdem er seine Hände warm gerieben und jeden einzelnen Finger massiert hatte, hämmerte er ein bekanntes irisches Trinklied in die Tasten, das er und seine Männer sofort mitsangen: »And it’s no, nay, never … no, nay, never, no more, will I play the wild rover, no never, no more.« Dazu klatschten sie lautstark in die Hände, und einer verlangte begeistert, dass Dolly jetzt endlich ja sagte und das verdammte Bier anstach. »Es ist Zeit zum Feiern, Dolly, heiratest du ihn jetzt?«
    Dolly fand Gefallen an dem Spielchen und zauderte zum Scherz. »Ein Trinklied kann doch jeder spielen«, erwiderte sie scheinbar enttäuscht. »Wenn er mir wirklich den Hof machen würde, hätte er was Klassisches im Repertoire.«
    Auch darauf wusste Jerry eine Antwort. Mit flinken Fingern spielte er die »Kleine Nachtmusik« von Mozart so gefühlvoll, dass Dolly sich vor Staunen gar nicht mehr einkriegte. »So was in der Art?«, fragte er, nachdem die letzte Note verklungen war. »Die ›Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur‹ hat mir immer besonders gut gefallen.« Er klappte den Deckel zu und fiel vor Dolly auf die Knie. »Ich frage dich hiermit zum letzten Mal, meine Liebe: Willst du weiter deine Spielchen mit mir treiben oder den Rest deines Lebens mit einem irischen Raubein verbringen, das dir jeden Wunsch von den Augen abliest?«
    »Na, was denkst du denn?«, rief Dolly und ließ sich in seine Arme fallen. »Dich heiraten will ich, was sonst? Und jetzt mach endlich das Fass auf! Wenn ich schon ja sage, wollen wir die Sache auch ordentlich begießen!«
    »Cheerio!«, jubelten die Iren.

38
    Die Hochzeit wurde zu einem rauschenden Fest, das George M. Hill, der Herausgeber der Weekly Fairbanks News, sogar auf der Titelseite platzierte und mit der Schlagzeile »Ausgelassene Iren feiern die Hochzeit zwischen Dolly Kinkaid und Jerry O’Rourke mit einem ausgelassenen Volksfest« versah. »Der glückliche

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