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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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verwirrt stehen. Die Husky hatten plötzlich aufgehört, im Schnee herumzutollen, und blickten zu dem langgestreckten Hügelkamm im Osten empor. Irgendetwas hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. Cloud und Billy standen mit angelegten Ohren im Schnee, das Hinterteil gesenkt, was nur bedeuten konnte, dass sie sich unwohl fühlten. Buffalo knurrte missmutig, dachte aber gar nicht daran, sich angriffslustig wie noch vor einigen Monaten zu zeigen, als er beinahe auf einen Elch losgegangen wäre, und nur Emmett wich nicht zurück, sondern brummte, knurrte und bellte laut und ließ dann ein langgezogenes Heulen ertönen, das wie ein dumpfes Echo über die Senke hallte und irgendwo im Schnee verhallte. Diesmal wartete er vergeblich auf eine Antwort. Außer dem leicht auffrischenden Wind war nichts zu hören.
    Clarissa griff unwillkürlich nach ihrem Revolver. Von der Sonne geblendet, die sich in diesem Augenblick über den Hügelrand schob und den Schnee erglühen ließ, blickte sie zu dem Hügelkamm im Osten. Ein Schatten huschte durch den Schnee, noch kraftvoller und energiegeladener als Emmett, ein sehniger Wolf, wie es den Anschein hatte, der aber schon nach wenigen Sekunden wieder verschwand und sich im Sonnenlicht aufzulösen schien. Sie nahm die Hand von der Waffe.
    »Bones!«, flüsterte sie.

3
    Noch am späten Nachmittag, als sie die Senke längst verlassen hatten und über einen steilen Hang zum Trail zurückstiegen, verharrten die Huskys öfter im Schnee und blickten nervös in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Auch Clarissa hatte noch das Bild des hageren Wolfs vor sich, wie er durch das morgendliche Sonnenlicht lief und gleich darauf hinter dem Hügelkamm verschwand. Nur für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie ihn gesehen, und doch war sie sicher, ihn erkannt zu haben, denn so bewegte sich nur Bones, der geheimnisvolle Wolf, der ihr schon ein paar Mal das Leben gerettet hatte.
    Auf der Flucht vor Frank Whittler und seinen Männern hatte sie ihm den blutenden Vorderlauf verbunden, eine leichtsinnige Tat, über deren Auswirkungen sie sich keine Gedanken gemacht hatte. Als der Wolf auf die Lichtung gehumpelt war, hatte sie nicht lange überlegt. Sie war auf das verletzte Tier zugegangen und hatte ihn versorgt, ohne darüber nachzudenken, wie gefährlich gerade ein angeschossener Wolf einem Menschen werden konnte. Ihre Bekannten in Vancouver hätten sie wahrscheinlich für verrückt erklärt, wenn sie davon erfahren hätten, selbst Alex hatte sie davor gewarnt, sich noch einmal auf diese Weise in Gefahr zu bringen. Jeder Wolf war gefährlich, auch wenn er einen noch so treuherzig anblickte.
    Doch Bones, wie sie ihn wegen seines ausgezehrten Körpers nannte, war kein gewöhnlicher Wolf. Er zog weder in einem Rudel durch die Wälder, noch hielt er sich in einem bestimmten Revier auf. Er sah immer gleich aus und alterte nicht. Ein Geisterwolf, behaupteten die Indianer, bei denen sie sich einige Monate vor ihren Verfolgern versteckt hatte. Ein übernatürliches Wesen, das seiner Retterin folgte, egal, wohin sie ging und welche Entfernungen es zurücklegen musste. Vom westlichen Kanada bis ins ferne Alaska hatte es ihn gezogen, beinahe zweitausend Meilen, eine schier unglaubliche Entfernung für einen Wolf, es sei denn, er war tatsächlich ein magisches Fabelwesen. Selbst sie zweifelte an seiner Existenz und hielt sich inzwischen sogar bei Alex bedeckt, wenn sie glaubte, ihm begegnet zu sein, doch Tatsache war, das ein ausgezehrter, leicht humpelnder Wolf ihr mehrmals das Leben gerettet hatte und auch jetzt wieder aufgetaucht war. Was wollte er ihr dieses Mal mitteilen?
    Auch ihre Huskys waren froh, als sie endlich den Trail erreichten, zögerten jedoch, als sie zwei Hundeschlitten vor der Blockhütte entdeckten. Clarissa dachte sofort an Frank Whittler und seine beiden Kumpane und schob ihre Rechte in die Tasche mit dem Revolver. Gleich darauf entspannte sie sich aber wieder, als sie den Indianer, der bei den Schlitten stand, und die Hunde erkannte. »Hey, Jimmy!«, rief sie dem Indianer zu. »Was will denn der Doc bei mir?«
    Seine Antwort ging im lauten Gezeter der Hunde unter. Sie rannten angriffslustig auf die beiden Gespanne zu, bellten und schimpften sich die Seele aus dem Leib und gaben erst Ruhe, als Clarissa sie mit einem scharfen Warnruf zur Ordnung rief. »Easy, Emmett!«, warnte sie ihren Leithund. »Du weißt, was passieren kann, wenn du dich mit anderen Hunden balgst. Wenn du was abbekommst,

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