Die Nacht der Wölfe
sofort losrannte. »Hey, nicht so stürmisch, Buffalo!«, rief sie.
Billy und Cloud, beide schon in reiferen Jahren, ließen es langsamer angehen, und Emmett bewegte sich nicht von der Stelle und war erst zufrieden, als Clarissa ihn zwischen den Ohren kraulte. Die Liebkosung war längst zum Ritual zwischen ihnen geworden.
Clarissa folgte dem Trail nach Westen, sie brauchte auf dem festgestampften Schnee noch keine Schneeschuhe und kam relativ schnell vorwärts. Auch ihr tat das Training gut, nicht nur für das Rennen, an dem sie teilnehmen wollte, auch den Alltag in der Wildnis meisterte man nur, wenn man körperlich in Form war und genügend Ausdauer besaß. Die Huskys rannten hin und her, vor allem Emmett, der eine wahre Pferdelunge besaß und niemals müde zu werden schien. Mal liefen sie vor und mal hinter ihr, bellten aufgeregt und waren ganz in ihrem Element. Für einen Husky gab es nichts Schöneres, als im Schnee zu tollen und um die Wette zu laufen, und selbst Buffalo, Cloud und Billy waren noch stark genug, um es mit jedem Stadthund aufzunehmen, obwohl sie keinen Schlitten mehr zogen und längst ihren Ruhestand genossen.
Oberhalb einer weiten Senke, die steil nach Süden abfiel und dem Verlauf des Nebenflusses folgte, an dem ihre Hütte lag, schnallte sie ihre Schneeschuhe an. Der helle Streifen am östlichen Horizont war noch breiter geworden, und die ersten Sonnenstrahlen brachten die schneebedeckten Berggipfel und Hänge zum Glitzern.
Das Schneetreiben hatte aufgehört. Am Himmel standen nur noch wenige Wolken, und der Wind war so schwach, dass man sein Rauschen in den Bäumen kaum hörte. Solche Tage waren selten im Hohen Norden, und Clarissas Miene blieb nur ernst, weil Alex nicht bei ihr war.
Vielleicht dauerte es ja wirklich nur ein paar Tage, bis er zurückkam. Der Marshal war ein fähiger Mann, und der indianische Fährtenleser würde bestimmt nicht lange brauchen, um die Verbrecher aufzuspüren. Zu siebt sollten der Marshal und sein Aufgebot in der Lage sein, selbst so gefährliche Männer wie Frank Whittler und seine Kumpane zu überwältigen. In drei oder vier Tagen, spätestens aber in einer Woche würden sie mit den gefesselten Männern auftauchen, und Frank Whittler würde endgültig aus ihrem Leben verschwinden. Dann hatten sie endlich Ruhe vor dem rachsüchtigen Millionärssohn. Er spukte schon viel zu lange um sie herum und hatte jede Menge Schaden angerichtet.
»Emmett! Billy! Cloud! Buffalo! Hierher!«, rief sie den Huskys zu. »Ab in den Tiefschnee, oder habt ihr gedacht, ihr könntet euch auf dem Trail ausruhen? Nur keine Müdigkeit vortäuschen! Runter zum Fluss … im Laufschritt!«
Die Huskys ließen sich nicht zwei Mal bitten. Noch vor ihr sprangen sie in den tiefen Schnee abseits des Trails und rannten in weiten Sprüngen zum Fluss hinab. Unter ihren Pfoten wirbelte der Schnee in dünnen Schleiern durch die Luft und glitzerte wie silberner Konfettiregen in der aufgehenden Sonne. Emmett sprang am höchsten. Vor jedem Sprung stemmte er seine Hinterläufe tief in den Schnee und katapultierte sich wie ein Geschoss durch die Luft. Buffalo hielt einigermaßen mit, schlaffte aber nach einigen Sprüngen ab und ließ es langsamer angehen. Cloud und Billy blieben weit zurück, hatten aber riesigen Spaß und gruben sich nach Herzenslust durch den Schnee. Sie bellten vor Vergnügen, als jagten sie ein Kaninchen, und wollten wohl beweisen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehörten.
Clarissa beobachtete sie zufrieden. Huskys waren einmalige Geschöpfe, zumeist schlank und voller Energie, viel kräftiger, als es ihre sehnigen Körper vermuten ließen, von unterschiedlichem Charakter, aber immer darauf bedacht, das Beste aus sich herauszuholen, und erst zufrieden, wenn sie Höchstleistung brachten. Es machte Spaß, ihnen zuzusehen, ihren kraftvollen und eleganten Bewegungen, ihre Freude an der Bewegung zu spüren. Hinter so viel Energie musste der Mensch zurückstehen, auch Clarissa, die auf ihren Schneeschuhen wesentlich langsamer vorankam und mächtig arbeiten musste, um in dem tiefen Schnee auf Kurs zu bleiben. Wenn sie das Alaska Frontier Race gewinnen oder zumindest einen der vorderen Plätze erreichen wollte, musste sie noch öfter trainieren, um auch auf Schneeschuhen konkurrenzfähig zu sein, wenn sie in den Ausläufern der verschneiten White Mountains gezwungen war, vom Trittbrett zu springen und den Schlitten anzuschieben.
Auf halber Strecke zum Fluss blieb sie
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