Die Nacht des einsamen Träumers.
Augenblick begriff Rocco, dass sie schon lange etwas ahnte. Als Anna draußen war, fragte Giacomo seine Frau und Rocco, was er mit diesem Brief tun solle. Weder Renata noch Rocco sagten ein Wort, das war schlimmer als ein Geständnis. Giacomo zerriss das Blatt und sagte: ›Ich habe diesen Brief nie erhalten, aber falls man mir noch einen schickt, sieht die Sache anders aus.‹ Doch alles war kaputt. Wenige Tage später verließ Rocco seine Familie, um allein zu leben, Renata machte es ebenso und kehrte zu ihren Eltern zurück. Die Geschäfte von Rocco und Giacomo begannen schlecht zu gehen, die beiden sprachen nicht mehr miteinander. Sie beschlossen, die Firma aufzulösen, und jeder ging seiner Wege. Ein paar Monate darauf kehrte Renata, vielleicht weil sie ihren Mann liebte, vielleicht auf Druck der Eltern, zu Giacomo zurück. Ich persönlich fühlte mich erleichtert, ich hoffte, Rocco würde wieder mit seiner Familie zusammenleben. Anna, mit der ich mich oft traf, wünschte es sich so sehr. Doch Rocco erzählte mir eines Tages, dass die Beziehung zwischen ihm und Renata wieder angefangen hatte. Nur dass sie jetzt achtsam waren, sie trafen mehr Vorsichtsmaßnahmen. Dottore, glauben Sie mir: Es war, als fiele ein Stein vom Himmel, plötzlich und mit Wucht. Eines Abends, das erfuhr man im Lauf des Prozesses, stritten Renata und Giacomo. Das geschah jetzt häufig zwischen den beiden. Ergebnis: Giacomo schlief in seinem Wochenendhaus bei Montereale, Renata ging zu einer Freundin, um dort zu übernachten.
Am folgenden Morgen kam Giacomo nicht in sein neues Büro, während Renata, entschlossen, sich zu versöhnen, nach Hause zurückkehrte. Sie erhielt einen Anruf aus dem Büro, wo man auf Giacomo wartete, und Renata antwortete, ihr Mann habe im Wochenendhaus geschlafen. Sie riefen dort an, aber es meldete sich niemand. Da fuhr Renata mit einem Angestellten hin. Die Tür stand offen, im Wohnzimmer hatte eindeutig eine tätliche Auseinandersetzung stattgefunden. Doch von Giacomo fanden sie keine Spur. Polizei und Carabinieri suchten überall, ohne Erfolg. Einige waren überzeugt, dass es sich um einen Fall von lupara bianca handelte, Giacomo war in letzter Zeit wegen einer bestimmten Ausschreibung bedroht und eingeschüchtert worden. Andere glaubten, er sei aus eigener Entscheidung weggegangen, nachdem sich die Beziehung zu seiner Frau verschlechtert hatte. Doch der Chef der Mordkommission Montelusa hatte seine eigene Meinung dazu. Nämlich dass Rocco Giacomo hatte verschwinden lassen, wahnsinnig vor Eifersucht, weil dieser wieder mit Renata zusammen war.«
»Der Logik, oder was es auch sein mag, zufolge hätte Rocco Renata umbringen müssen. In gewissem Sinne betrog sie ihn jetzt mit ihrem Mann«, meinte der Commissario dazu. , »Das dachte ich auch«, fuhr der Preside fort. »Kurz und gut, weder die Polizei noch die Carabinieri fanden trotz dreimonatiger Suche eine Spur von Giacomo. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Eines Tages gab es in dem Wochenendhaus einen Wasserschaden. Renata, die ab und zu dort war, rief den Installateur. Und der machte eine schreckliche Entdeckung. Auf dem Dach war ein Behälter aus Eternit als Wassertank, Sie wissen ja, Dottore, die Wasserversorgung ist bei uns ziemlich willkürlich...«
»Hören Sie mir damit auf«, sagte Montalbano, der schon öfter fluchend ohne einen Tropfen Wasser und von Kopf bis Fuß eingeseift in der Dusche gestanden hatte. »Nun, der Installateur hob den Deckel ab und sah eine Leiche. Giacomos Leiche. Jemand hatte ihn erwürgt und dann dort versteckt.«
»War der Tank leicht zugänglich?«
»Ganz im Gegenteil! Durch eine schmale Tür, die aufs Dach hinausging, gelangte man über die Dachziegel zum Tank, wobei man bei jedem Schritt Gefahr lief, auszurutschen. Also: Giacomo war nicht aus eigener Entscheidung weggegangen, und es war auch kein Fall von lupara bianca. Der Leiter der Mordkommission stellte eine Hypothese auf. Nämlich dass Rocco Giacomo aufgesucht hatte und der Streit ausgeartet war. Daraufhin hatte Rocco Giacomo erwürgt und die Leiche im Tank versteckt. Er vernahm Rocco, der für diese Nacht kein Alibi vorweisen konnte.«
»Wieso das?«
»Er war den ganzen Abend zu Hause gewesen. Zum Teil kann ich das bestätigen. Ich rief ihn gegen acht Uhr an und fragte, ob er zu uns zum Abendessen kommen wolle. Er antwortete, er würde zu Hause essen, weil er später noch etwas vorhabe.«
»Hat er gesagt, was?«
»Nein. Aber ich
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