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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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nur wenig Platz zur Verfügung zu haben? So verhält sich instinktiv jemand, der gewohnt ist, gemeinsam mit anderen Menschen zu essen, einer rechts, einer links und ein Dritter gegenüber.
      Er grübelte darüber nach, während er am Ufer spazieren ging, denn es war noch zu früh, um ins Büro zu fahren. Und plötzlich fiel ihm die Erklärung ein, einfach und ganz klar. Und er begriff, warum der Preside, als er ihn einlud, den Namen des Cousins buchstabiert hatte. Es war eine rücksichtsvolle Geste, er wollte ihn vorwarnen, er wollte ihm die Verlegenheit ersparen, überraschend einen wie seinen Cousin am selben Tisch vorzufinden. Nur hatte er sich in dem Moment nicht erinnern können, wer Rocco Pennisi war. Schlicht ein Mörder.

    Keine halbe Stunde nachdem Montalbano ihn darum gebeten hatte, legte ihm Catarella, triumphierend und mit sich zufrieden, den Computerausdruck auf den Schreibtisch. »Du bist ja irre schnell, Catarè!«
    »Wie immer, Dottore!«

      In dürren Worten war in dem Strafregisterauszug die tragische Geschichte des promovierten Ingenieurs Rocco Pennisi zusammengefasst, der wegen Mordes rechtskräftig zu dreißig Jahren verurteilt worden war, von denen er fünfundzwanzig abgesessen hatte und fünf ihm wegen guter Führung erlassen worden waren. Er war erst zwei Monate zuvor aus dem Gefängnis gekommen. Der Commissario las den Auszug zweimal und kam zu einem konkreten Ergebnis: Das Verfahren gegen den Ingegnere war ein reiner Indizienprozess gewesen, und vielleicht hatten die Richter deshalb von lebenslänglicher Gefängnisstrafe abgesehen. Er dachte eine Weile darüber nach und rief dann bei den Burgios an.

    »Pronto, Signor Preside? Hier ist Montalbano.«
      »Ich habe gleich Ihre Stimme erkannt. Ich weiß, warum Sie anrufen.«

    »Ist Ihr Cousin tatsächlich abgereist?«
      »Ja. Meine Schuld. Ich habe ihn so gedrängt, mit Ihnen zu sprechen... Was weiß ich, warum er dann doch nicht reden mochte. Und er wollte nach Rom zurück.«
    »Was macht er in Rom? Hat er Arbeit gefunden oder...«

      »Ja, im Büro von Nicola, seinem Sohn. Der ist ebenfalls Ingenieur.«

      »Signor Preside, was sollte Ihr Cousin mir gestern Abend sagen?«
      »Ich wollte, dass er Ihnen erzählt, wie sich diese Geschichte wirklich zugetragen hat, die ihn zu Unrecht für fünfundzwanzig Jahre ins Gefängnis gebracht und sein Leben zerstört hat.«

    Montalbano mochte nicht sofort etwas entgegnen. Die Stimme des anderen war bei diesem letzten Satz brüchig geworden.
      »Ich habe den Registerauszug gelesen, Signor Preside. Sichere Beweise gab es zwar nicht, aber... Halten Sie ihn für unschuldig?«
      »Ich halte ihn nicht für unschuldig, ich habe in mir die Gewissheit, dass er unschuldig ist. Und ich habe so auf diese Begegnung mit Ihnen gesetzt... Wissen Sie was? Rocco hatte gar nichts zu tun in Vigàta. Ich habe Sie angelogen. Ich hatte ihn überredet, eigens zu kommen.« Montalbano empfand das naive Vertrauen, das der Preside in ihn setzte, als lästig und rührend.

      »Wenn Sie mit mir darüber reden wollen, auch ohne Ihren Cousin...«
      »Gott sei Lob und Dank!«, rief der Preside. »Ich hoffte so sehr, dass Sie das sagen würden! Sie können kommen, wann Sie wollen, Commissario.«

      »Ich bin Ihnen unendlich dankbar für alles, was Sie für meinen Cousin tun können«, fing Preside Burgio an, als er den Commissario in sein Arbeitszimmer bat. »Angelina ist ganz durcheinander wegen gestern Abend. Sie hat kein Auge zugetan und sich gerade hingelegt. Sie möchten sie entschuldigen.«
      »Aber ich bitte Sie!«, sagte Montalbano. Und fuhr fort: »Doch bevor Sie anfangen, Signor Preside, möchte ich vorausschicken, dass ich nicht hier bin, um etwas für Ihren Cousin zu tun, sondern nur Ihretwegen. Hängen Sie sehr an diesem Cousin?«

    »Wir sind fünfzehn Jahre auseinander. Sein Vater Michele, der Caterina, meine jüngste Tante, geheiratet hatte, kam aus Montelusa. Er produzierte Olivenöl und besaß einen gut gehenden Betrieb, den er geerbt hatte. Michele und meine Tante hatten diesen einzigen Sohn, Rocco. Als er fünf oder sechs war, fasste er Zuneigung zu mir. Es kommt oft vor, dass sich ein Kind eine Bezugsperson aussucht. Unsere Freundschaft dauerte auch fort, als Rocco erwachsen wurde, die Universität besuchte und promovierte. Ausgerechnet am Tag seiner Promotion passierte das Unglück. Michele und Caterina fuhren von Palermo zurück, wo sie der Verteidigung der Doktorarbeit

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