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Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Titel: Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexia Casale
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Irgendwie schon. Na ja … irgendwie. Es war vor allem komisch. Sonderbar. Sie hat immer wieder an dem einen Ende gezupft, aber der Faden wollte sich nicht lösen. Also ist sie aufgestanden und hat gesagt: ›Ich hole die Zange … die Pinzette, meine ich.‹ In Wahrheit war es natürlich eine Zange, und sie war viel größer als die erste.«
    Miss Winters gestattet sich ein wenig Mitgefühl. Sie saugt die Unterlippe ein und lässt Luft durch ihre Zähne zischen, und ich ahne, dass sie mich damit zum Weiterreden auffordern möchte, denn sie fragt: »Und? Konnte sie die Fäden mit der … Zange ziehen?«
    »Ja. Aber es hat gedauert. Sie zog sie hin und her, und dann waren sie raus. Das hat natürlich wehgetan. Ein bisschen«, sage ich. Und das stimmt. Obwohl es nicht so schlimm war wie erwartet. Sondern nur etwas eklig. Es war kein fieser Schmerz, sondern ein Kribbeln, wie man es verspürt, wenn man weiß, dass etwas falsch ist und dass der Körper dagegen aufbegehrt. »Tja, jetzt sind sie raus, und ich kann atmen und selbstständig duschen, bin wieder beweglich. Noch zwei Wochen, sagt Dr. Barstow, dann darf ich wieder zur Schule.«
    »Freust du dich darauf? Immerhin weißt du, dass du keine Wissenslücken haben wirst.«
    »Ja, schon.« Ich zucke mit den Schultern. Wenn man mit drei Wochen Verspätung zur Schule geht, ist alles anders. Lynne und Phee wollen mir einen Platz frei halten, aber das ist nicht dasselbe, wie sich zusammen einen auszusuchen. Sie haben mich am letzten Wochenende besucht und nur von Sachen erzählt, die mir fremd waren, die ich nicht miterlebt hatte. So vieles Neue, an dem ich keinen Anteil hatte. Und was mich betrifft, so werde ich mich auch verändert haben.
    Ich schweige, und Miss Winters schweigt auch. Sie müsste es inzwischen besser wissen. Ich greife nach dem Drachen, schweige aber weiter, weil ich genau weiß, was sie von mir will.
    Amy und Paul bitten mich schon seit einer Ewigkeit, eine Therapie zu machen, aber das kommt nicht noch einmal in Frage. Ich habe es zwei Mal probiert, und es war jedes Mal grässlich. Und blöd. Vor allem aber grässlich. Ich hatte bei jedem Therapeuten vier Sitzungen, jeweils eine Stunde, und ich habe die ganze Zeit die Wand angestarrt und im Stillen Gedichte aufgesagt, um ihnen nicht zuhören zu müssen. Denn sie haben nur Quatsch erzählt. Man müsste diesen Leuten den Mund verbieten. Als Paul und Amy mich baten, es noch einmal zu versuchen, sagte ich: »Warum soll ich mit Leuten sprechen, die die ganze Zeit nur Blödsinn reden?« Denn es war nicht nur so, dass sie falschlagen. Nein, sie lagen so falsch, wie es nur irgendwie geht.
    Danach ließen Amy und Paul die Sache auf sich beruhen, drängten mich jedenfalls nicht mehr, dort noch mal hinzugehen, schnitten das Thema aber immer wieder an … Seit der Operation allerdings haben sie kein Mal davon gesprochen. Und ich ahne auch, warum: Sie wissen, dass ich Miss Winters mag, und sie wissen auch, dass Miss Winters für einen Verein tätig ist, der sich um Missbrauchsopfer kümmert, weil sie im letzten Jahr beim Wohltätigkeitsbasar unserer Schule Geld dafür gesammelt hat. Also möchten sie, dass Miss Winters mich zum Sprechen bringt, während sie mir bei den Hausaufgaben hilft. Da bin ich mir sicher. Die Frage nach den Fäden war irgendwie zu … direkt.
    »Amy hat mir erzählt, dass der … der Todestag von Fiona kurz bevorsteht«, sagt Miss Winters schließlich.
    Ich seufze auf und lasse mich auf die Polster zurückfallen, schaue zum Fenster.
    »Wäre es denn so schlimm, wenn du ein bisschen mit mir reden würdest?«, fragt Miss Winters behutsam. »Amy und Paul würden sich wohler fühlen, wenn sie wüssten, dass du mit jemandem sprichst, und sei es nur für zehn Minuten, unter vier Augen, mit mir.«
    Ich drehe mich zu ihr um. Sie lächelt wissend, und mir wird klar, dass sie gar nicht erst versucht hat, durch die Blume mit mir zu reden. Sie weiß, dass sie mich nicht austricksen kann. Ich winde eine Haarsträhne um meinen Finger und kaue beim Nachdenken darauf herum. Miss Winters sitzt schweigend da und lächelt warmherzig. Keine Floskeln wie … dass ich ihr vertrauen könne, dass alles unter uns bleibe, dass ich es »endlich mal rauslassen« müsse. Und ich ertappe mich dabei, wie ich die Haarsträhne aus dem Mund ziehe und mürrisch sage: »Amy will, dass ich das Grab besuche.«
    »Ja, das hat sie mir erzählt«, sagt Miss Winters. »Sie hat mir auch erzählt, dass du dich dagegen entschieden

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