Die Nacht von Granada
Pyrenäen bis nach Galizien auf einem Weg, der als »Jakobsweg« inzwischen ins moderne Bewusstsein Eingang gefunden hat.
Doch die Eroberung Granadas war alles andere als ein rühmlicher militärischer Feldzug. Seit 1486 hatten die Katholischen Könige Isabella und Ferdinand in zähen Belagerungskriegen den Mauren Stück für Stück andalusisches Land abgetrotzt, mit dem Ziel, Granada zu isolieren und zur Unterwerfung zu zwingen. Als schließlich Málaga fiel, wurde als Nächstes die »Vega«, das fruchtbare Vorland Granadas, geplündert und verwüstet. Parallel dazu wurden endlose Verhandlungen mit dem regierenden Emir von Gra nada geführt, der seinerseits mit seinem Neffen um die Macht stritt.
1490 begann die Belagerung der Stadt. Nahrung und Wasser wurden immer knapper. Da nahm der letzte Herrscher Granadas, Boabdil, der inzwischen seinen Onkel entthront hatte, abermals Kontakt zu Isabella und Ferdinand auf. Am 25. November 1491 wurde eine Erklärung zur Übernahme des Emirats veröffentlicht. Die darin enthaltenen 25 Bedingungen bestätigen der muslimischen Bevölkerung ihre Sicherheit und die freie Ausübung der Religion. Außerdem sollten sie die Freiheit haben, nach ihren Vorstellungen zu leben und sich nach ihren Bräuchen zu kleiden, weiterhin in ihren traditionellen Berufen frei arbeiten zu können und ihre Häuser zu behalten. Alle in Gefangenschaft geratenen Muslime mussten laut Vertrag auf freien Fuß gesetzt werden, und der gesamten muslimischen Bevölkerung wurde das Recht zugestanden, die Iberische Halbinsel zu verlassen.
So weit die Theorie.
Was nicht im Vertrag stand: Diese Vereinbarung wie auch die vorhergehende Belagerung war zu großem Teil mit jüdischem Geld finanziert worden, was die Katholischen Könige freilich nicht daran hinderte, drei Monate später das sogenannte »Alhambra-Edikt« zu erlassen: Binnen einer Frist von drei Monaten hatten alle nicht zum Christentum konvertierten Juden das Land ohne Geld, Gold oder eine Entschädigung zu verlassen. Eine für Spanien katastrophale Entscheidung. Ärzte und Kaufleute, Bankiers und Handwerker fehlten plötzlich, die Wirtschaft brach zusammen, und welches Leid diese Entscheidung erst über die Vertriebenen gebracht haben mag, deren Familien seit Jahrhunderten in Spanien gelebt hatten, ist kaum vorstellbar. Viele flohen zunächst nach Portugal, von wo sie wenig später ebenfalls vertrieben wurden, andere nach Nordafrika, Ägypten, Griechenland, aber auch nach Polen, Deutschland und in die Niederlande.
Am 2. Januar 1492 verließ Boabdil die Stadt, übergab König Ferdinand die Schlüssel und seine Siegel. Er erhielt ein Landgut in den Alpujarras, begab sich später nach Nordafrika und starb 1533 in Fes. Die 25 Bestimmungen wurden im Kapitulationsvertrag von 1492 schriftlich festgehalten. Anfänglich wurden sie auch respektiert und sogar von einem Teil des Klerus befürwortet, für den in meinem Roman die Figur von Padre Manolo steht. Diese sanfte Linie vertrat besonders Hernando de Talavera, Beichtvater von Königin Isabella und erster Erzbischof von Granada, der daran glaubte, dass die Mauren mit Vernunftargumenten vom Christentum als der besseren Religion überzeugt werden könnten, daher sogar Predigten auf Arabisch hielt und sich für eine Übersetzung der Bibel ins Arabische einsetzte.
Dieser maurenfreundliche Kurs wurde 1498 radikal korrigiert. Auf Drängen Königin Isabellas und des Erzbischofs von Toledo, Francisco Jiménez de Cisneros, wurden harte Maßnahmen gegen die im Land verbliebenen Mauren, die sogenannten mudéjares, in Gang gesetzt. Cisneros ließ sich 1499 in Granada nieder, um sie persönlich durchzuführen. Es kam zu groß angelegten Zwangstaufen, wie ich sie auch in meinem Roman beschrieben habe, zu zahlreichen Denunziationen und Prozessen. Auch getaufte Mauren galten als verdächtig – manchmal sogar als besonders verdächtig. Es genügte bereits, sich von Kopf bis Fuß zu waschen – die Mauren besaßen ja eine große Badekultur –, um als »Kryptomaure« (heimlicher Maure) zu gelten und verhaftet und bestraft zu werden.
Die Institution, deren Aufgabe die Reinhaltung des katholischen Glaubens war, hieß Inquisition. 1478 in Spanien als staatliche Einrichtung unter einem Großinquisitor begründet, setzte sie zunächst auf die Verfolgung getaufter Juden; später nahm sie auch getaufte Mauren ins Visier. Man ging dabei alles andere als zimperlich gegen Verdächtige vor. Mit ausgeklügelten Fragetechniken sollten
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