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Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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kennengelernt habe, und dabei skrupellos und stahlhart.
    Ich betrieb mein Geschäft zwar hauptsächlich von Alexandria aus, aber mir gefiel es in Bir-el-Gafani so gut, daß ich hier schon seit fast zwei Jahren einen Wohnsitz hatte: ein Zimmer im Erdgeschoß des Saunder-Hotels mit einer Terrasse zum Garten und im alten Hafen einen Stammplatz für die ›Gentle Jane‹. Beides war sehr praktisch. Morgan schlief gewöhnlich an Bord, falls er nicht in der Ecke irgendeiner Bar einnickte.
    Ich erinnerte mich nicht mehr daran, wie ich ins Bett gekommen war, aber jedenfalls lag ich splitternackt darin. In meinem Zimmer herrschte angenehmes Halbdunkel. Die weißen Tüllgardinen wehten sacht an den offenen Fenstern zur Terrasse. Es war Abend und sehr still. Erst nach ein paar Sekunden ging mir auf, daß der Ventilator stehengeblieben war.
    Ich richtete mich auf, griff nach einer Zigarette und bemerkte, daß sich im Dunkeln auf der anderen Seite des Zimmers etwas bewegte. Ich hörte eine Flasche klappern.
    »Alles in Ordnung, Jack?« Morgan stand drüben vom Sofa am anderen Fenster auf und schob verstohlen die Flasche in die Tasche seiner alten Hose.
    »Mir geht's prima, Morg. Was ist denn passiert?«
    »Du bist einfach umgekippt, Jack, ohnmächtig geworden. Wie schon einmal, erinnerst du dich?«
    Ich nickte langsam. Das kam zwar nicht oft vor, aber wenn, dann so gründlich, daß es ein Alarmzeichen war. Ich hatte vor ein paar Jahren mit einem Spezialisten darüber gesprochen, der mir erklärte, es handele sich um eine Stressituation, die mehr chemisch als psychologisch bedingt sei. Ich verfüge offenbar über ungeheure Vitalitätsreserven und könne länger unter Hochdruck arbeiten als ein Durchschnittsmensch, aber an einem bestimmten Punkt sei ich dann eben ausgebrannt. »Und wann ist das alles passiert?«
    »Auf dem Weg durch den Garten. Ich hab' den Landrover am Seitentor geparkt. Du hast mir den Arm um die Schulter gelegt. Drüben am Brunnen bist du so gründlich umgekippt, daß du mich mitgerissen hast.«
    »Und wie hast du mich hier hereingeschafft?« Er grinste boshaft. »Mit dem Mädchen, Jack, dem Mädchen von dem Motorboot. Der Schwägerin von Aleko. Sie saß auf der Terrasse und hat mir geholfen.« Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Mein Gott, Jack, ist das eine Frau! Mehr wert als zehn andere.« »Und wer hat mich ausgezogen?«
    »Sie natürlich, Jack, wer denn sonst? Die Kleider mußten 'runter. Du warst bis auf die Haut naß und hast gezittert wie Espenlaub. So etwas ist Frauenarbeit. Die haben ein Händchen dafür.« Er lachte leise. »Meine Hände waren jedenfalls dreckig.« Ja, wirklich, eine tolle Frau, dachte ich, stand auf und ging unter die Dusche. Sie war das einzige Zugeständnis an die moderne Lebensweise, das man im ›Saunders-Hotel‹ machte. Das Wasser war lauwarm, aber erfrischend. Ich lebte wieder auf.
    Morgan lehnte an der Tür und stopfte seine alte Pfeife. »Guyon wollte dich sprechen.« - »Wie geht's ihm?«
    »Gut, der Arzt hat ihn angewiesen, für eine Woche mit dem Tauchen auszusetzen. Nicht gerade sehr praktisch.« Er zögerte. »Vielleicht könnte ich aushelfen.«
    Ich trat aus der Dusche, trocknete mich ab und schüttelte den Kopf. »Danke, Morg, das ist nett von dir, aber wir werden schon sehen, wie's läuft.«
    Es war eine Art Spiel zwischen uns, ein Versuch, seinem Selbstbewußtsein auf die Beine zu helfen. Er würde nie wieder tauchen. Nach einem Mal wäre er ein toter Mann oder für den Rest seines Lebens im Irrenhaus. Er wußte das, ich wußte es, aber dieses Spielchen und die Flasche hielten ihn aufrecht.
    »Guyon war wegen der Mirage ganz aufgeregt. Jack«, fuhr er fort, »du könntest damit einen richtigen Schlager landen. Man wird dir eine Menge dafür bezahlen. Und ich hab' ihm von diesem Ibrahim erzählt, der so viele Fragen stellte.«
    Ich zog mir ein frisches Hemd an und begann es zuzuknöpfen. »Was hat er gesagt?«
    »Nicht viel.« Morgan kratzte sich das unrasierte Kinn. »Du kennst ja diesen Guyon, Jack. Man wird aus ihm nicht recht schlau, aber er hat's auf einmal verdammt eilig gehabt.«
    Wieder fühlte ich diese Kälte im Magen und verdrängte sie zum zweitenmal an diesem Tag. Ich wollte mir einfach nicht eingestehen, daß da etwas nicht stimmte. In Wirklichkeit war es wohl so, daß Sarah Hamilton alle anderen Gedanken verdrängte, in meinem Alter eine bedenkliche Erscheinung. Nicht, daß ich etwas gegen Frauen hätte. Ich war durchaus

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