Die Nachtwächter
dorthin, wo wir keinen Angriff erwarten«, erklärte Mumm.
»Aber… du
rechnest
damit, Härr.«
Mumm zeigte Dickins ein ausdrucksloses Gesicht, und das genügte als Hinweis.
»Die Sache ist bereits erledigt, Härr«, erwiderte er zufrieden.
»Und ich möchte ordentlich viele Männer bei allen Barrikaden«, sagte Mumm. »Und einige Patrouillen, die dorthin geschickt werden können, wo es Probleme gibt. Du
weißt,
worauf es ankommt, Feldwebel.«
»Ja, Härr.« Dickins salutierte zackig und lächelte.
Dann wandte er sich den versammelten Bürgern zu. »Na schön, Leute!«, rief er. »Einige von euch sind in einem Regiment gewesen, ich weiß es! Wie viele kennen ›All die kleinen Engel‹?«
Einige der etwas ernsthafteren Andenken wurden hochgehalten.
»Ausgezeichnet! Wir haben bereits einen kleinen Chor! Es ist ein Soldatenlied, versteht ihr? Ihr seht nicht wie Soldaten aus, aber bei den Göttern: Ich werde dafür sorgen, dass ihr wie Soldaten klingt! Die anderen lernen das Lied, während wir es singen! Rechtsum! Marsch! ›All die kleinen Engel fliegen nach oben, nach oben! All die kleinen Engel fliegen nach oben empor!‹ Singt, ihr Muttersöhne!«
Die Marschierenden lernten von denen, die das Lied kannten. »Wie fliegen sie nach oben, nach oben, wie fliegen sie nach oben empor?«
»Sie fliegen mit dem
Kopf
nach oben, mit dem
Kopf,
mit dem
Kopf
nach oben fliegen die kleinen Engel empor…«, sang Dickins, als die Truppe hinter der Ecke verschwand.
Mumm lauschte, als der Refrain verklang.
»Ein nettes Lied«, sagte der junge Sam, und Mumm begriff, dass er es zum ersten Mal gehört hatte.
»Es ist ein altes Soldatenlied«, sagte er.
»Tatsächlich, Oberfeldwebel? Aber es geht darin um Engel.«
Ja, dachte Mumm, und es ist erstaunlich, mit welchen Dingen die kleinen Engel während des Lieds nach oben fliegen. Es ist ein
echtes
Soldatenlied, voller Gefühl und mit schmutzigen Zeilen.
»Wenn ich mich recht entsinne, wurde es nach einer Schlacht gesungen«, sagte er. »Ich habe gesehen, wie alte Männer dabei weinten«, fügte er hinzu.
»Warum? Es klingt fröhlich.«
Weil sie sich an die erinnerten, die nicht mehr mitsingen konnten, dachte Mumm. Du wirst es lernen. Ich
weiß
es.
Nach einer Weile kehrten die Patrouillen zurück. Major Sitzgut-Stehschnell war klug genug, keine schriftlichen Berichte zu verlangen. Sie waren zu lang und voller Rechtschreibfehler. Nacheinander erstatteten die Männer Bericht. Hauptmann Wrangel, der Stellungen auf der Karte markierte, pfiff gelegentlich leise.
»Der Bereich ist groß, Herr! Wirklich groß! Inzwischen liegt fast ein Viertel der Stadt hinter den Barrikaden!« Der Major rieb sich die Stirn und sah den Kavalleristen Gabitass an. Er war als Letzter eingetroffen und schien sich besondere Mühe gegeben zu haben, Informationen zu sammeln.
»Überall sind die Leute in Stellung gegangen, Herr. Ich ritt zur Barrikade in der Heldenstraße, nahm den Helm ab und versuchte so auszusehen, als wäre ich nicht im Dienst, und dann fragte ich, was das alles zu bedeuten hätte. Ein Mann rief mir zu: Es ist alles in bester Ordnung, danke sehr, und leider haben wir keine Barrikaden mehr übrig. Ich sagte, was ist mit Recht und Ordnung, und die Leute sagten, davon haben wir jede Menge, danke.«
»Niemand hat auf dich geschossen?«
»Nein, Herr. Ich wünschte, das ließe sich auch von diesem Ort hier behaupten; die Leute warfen Steine nach mir, und eine Alte leerte aus ihrem Fenster einen Nachtto… einen Topf auf mich aus. Da wäre noch etwas anderes, Herr. Äh…«
»Heraus damit, Mann!«
»Ich, äh, habe einige der Personen auf der Barrikade erkannt. Äh… es sind Leute von uns, Herr.«
Mumm schloss die Augen, in der Hoffnung, dass die Welt ein besserer Ort sein würde. Aber als er sie wieder öffnete, zeigte sie ihm noch immer das rosarote Gesicht des gerade beförderten Feldwebels Colon.
»Fred«, sagte er langsam, »ich frage mich, ob du das grundlegende Konzept verstanden hast. Die Soldaten – das sind die
anderen
Leute, Fred – bleiben
jenseits
der Barrikade. Wenn sie sich
diesseits
davon befinden, haben wir gar keine verdammte Barrikade mehr, kapiert?«
»Ja, Herr. Aber…«
»Wenn man etwas Zeit in einem Regiment verbringt, Fred, findet man heraus, dass Soldaten großen Wert darauf legen zu wissen, wer auf ihrer Seite steht und wer nicht.«
»Ja, Herr, aber sie…«
»Ich meine, wie lange kennen wir uns schon, Fred?«
»Zwei oder drei Tage,
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