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Die Namenlose

Die Namenlose

Titel: Die Namenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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von dir.«
    »Ihr seid keine Gefangenen«, stellte Gerta unvermittelt fest.
    »Bisher vermochten wir uns unserer Haut zu wehren.«
    »Nehmt Omera und mich mit euch.«
    »Kennst du einen Weg?« fragte Sosona.
    »Es gibt eine Straße, die aus südlicher Richtung zum Mittelpunkt von Ptaath führt. Mehrere Abschnitte, die vor langer Zeit durch den Fels gegraben wurden, sind angeblich noch gut erhalten und mit Luft gefüllt. Dort, sagte Learges, sollten wir auf ihn warten.«
    »Was hält uns dann noch?« platzte Kalisse heraus. Sosona hingegen warnte davor, die Dinge zu übereilen.
    »Vorerst sind wir hier sicher«, gab die Hexe zu verstehen. »Weshalb also nicht zuerst neue Kräfte sammeln?« Und an Gerta gewandt, fuhr sie fort: »Wie weit ist es bis zu jener Straße?«
    »Fünfzig Schritte, vielleicht auch sechzig.«
    »Liegen Hindernisse dazwischen?«
    »Nein«, machte Gerta erstaunt. »Ich glaube nicht. Zumindest hat der Tritone nichts davon erwähnt.«
    »Für ihn ist es ein leichtes, diese Entfernung zu überwinden.« Sosona zeigte sich besorgt. »Aber wir besitzen keine Kiemen, sondern sind gezwungen, den Atem anzuhalten. Schon der kleinste Zwischenfall kann uns das Leben kosten.«
    »Haben wir überhaupt eine Wahl?« wollte Gorma wissen. »Ich bin dafür, das Risiko einzugehen, denn hier werden wir niemals erfahren, welches Schicksal die Zaubermutter und Burra ereilt hat.«
*
    Der Übergang vom Tag zur Nacht vollzog sich beinahe unmerklich. Das Licht der Sonne drang nicht bis auf den Meeresboden vor, und so herrschte schon in einer Tiefe von dreißig Schritt ein gleichbleibend fahler Dämmer, der zwar erkennen ließ, was in weitem Umkreis geschah, der aber zu schwach war, um Schatten zu zeichnen.
    Sosona hatte ihren Willen durchgesetzt und den Amazonen eine Ruhepause aufgezwungen. Sogar Gorma war innerhalb kürzester Zeit in Schlaf verfallen.
    Lediglich die Hexe selbst hielt Wache. In kauernder Haltung, vornübergesunken und die Augen geschlossen, lauschte sie den vielfältigen Geräuschen, die von überall her auf sie eindrangen.
    Ein Hauch von Gefahr war spürbar. Noch lauerte jene fremde, unheimliche Macht im Hintergrund. Die Drohung, die von ihr ausging, schien mittlerweile stärker geworden.
    Sosona war erschöpft, ihr Körper benötigte dringend eine Zeit der Ruhe, die sie aber nicht fand. Immer wieder schreckte sie hoch, weil sie meinte, eine ferne Stimme vernommen zu haben, die nach ihr rief.
    Aber sooft sie sich darauf konzentrierte, stießen ihre Sinne ins Nichts.
    Irgendwo in den steinernen Wänden knisterte es. Eine mehrere Ellen messende Ranke tastete langsam über den Boden.
    »Sosona…«, murmelten die Steine.
    »Sosona…«, flüsterte das Meer, draußen, vor den Fensteröffnungen. »Komm…«
    Die Hexe verspürte ein seltsames Prickeln. Vom Mittelfinger der linken Hand ausgehend, erstreckte es sich schnell über den Unterarm und zog sich bis in die Schläfen hinauf. Sosona blinzelte. Zweimal mußte sie hinsehen, um die Veränderung zu erkennen, die mit dem betreffenden Ring vor sich ging. Der Kristall leuchtete in allen Farben des Lichts.
    »Zaem?« hauchte die Hexe. »Wo bist du?«
    Aber der winzige Regenbogen war nicht von Bestand. Schwärze erstickte das Funkeln und nahm dem Stein jeglichen Glanz. Es war dieselbe Finsternis, die in Sosonas Gedanken nagte, die den Keim des Zweifels in ihr nährte und zur Umkehr riet, solange noch Zeit dazu war.
    … ihr Mantel kleidete nicht den Körper einer Tochter von Vanga, sondern umhüllte einen flüchtigen Schatten bloß…
    Erinnerungen wurden wach, die jedoch nie der Hexe gehört hatten. Nur Zaem konnte auf diese Weise versuchen, zu ihr zu sprechen.
    »Laß mich dir helfen, Mutter.« Sosona vernahm nicht den verzerrten Klang ihrer Stimme, wußte nicht, daß die Worte zögernd nur über ihre Lippen kamen.
    Plötzlich waren da Laute, die sie aus dem beginnenden Traum aufschreckten. Dumpf und düster, als würden die Zähne eines Sägeschwertes über steinerne Mauern kratzen.
    Sosona schlug die Augen auf. Niemand außer ihr schien die Geräusche wahrzunehmen. Lediglich Gerrek bewegte sich unruhig, sein Rattenschwanz wischte über den Mosaikboden.
    Der Mandaler stand kurz vor dem Aufwachen. Sein Maul zitterte bei jedem Atemzug und entblößte blitzende Fangzähne.
    Krrrch… krrch…
    »Gerrek, du Monstrum«, rief Sosona wütend aus.
    »Hä?« Der Beuteldrache blinzelte und zog sein rechtes Lid in die Höhe. Indes schien ihm nicht zu gefallen, was er sah,

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