Die Namenlose
denn sofort schlug er sich die Hände vors Gesicht.
»Hör endlich auf damit! - Gerrek! «
»Hmm.« Schmatzend wälzte er sich herum.
Krrrch… erklang es dann von neuem.
»Du wirst nicht wieder einschlafen«, forderte Sosona.
»Doch… doch…«, zischelte Gerrek fast unverständlich.
Im nächsten Moment klatschte es laut mehrmals hintereinander. Mit einem heiseren Aufschrei fuhr der Beuteldrache hoch. Seine Nüstern röteten sich.
»Was ist… wer… wo?« Während Gerreks Rechte zum Schwert zuckte, fiel sein Blick auf Sosona, die ihn wütend anfunkelte. »Ach«, kam es erleichtert aus seinem Maul, »du bist es nur. Ich muß geträumt haben. Schrecklich.« Er schüttelte sich ab. »Stell dir vor, auf dem Grund des Meeres waren wir gefangen, von Wesen halb Fisch, halb Mensch. Und wir sollten ihrer Göttin geopfert werden. Zum Glück war alles nur Einbildung.« Vorsichtig wischte Gerrek über das Mosaik, und ein Seufzer entrang sich seiner Brust. »Trocken«, stellte er fest. »Kein Wasser. Wenn ich daran denke, zittere ich jetzt noch. Was ist, warum siehst du mich so an, als möchtest du mich durchbohren? Habe ich etwas Falsches gesagt, oder…? Du… meinst… es ist nicht so, da draußen gibt es Wasser, viel Wasser sogar? Wir sind wirklich dreißig Schritt unter den Wellen - puh.« Schweißperlen rannen über seine Schläfen, plötzlich schien er sich nicht sonderlich wohl zu fühlen. »Langsam erinnere ich mich wieder. Honga ist verschwunden, und Gudun…«
»Dein Geschrei weckt selbst Tote auf. Doch was kann man von dir schon verlangen?«
»Warum sind wir nur mit ihm gestraft?« Ächzend kam Gorma auf die Beine. »Man sollte versuchen, ihn den Tritonen in die Arme zu treiben.«
»Spottet nur«, maulte Gerrek. »Ihr werdet schon sehen, wohin ihr ohne mich kommt.«
*
Der frühe Tag brachte keine Veränderung. Sooft die Amazonen zwischen den ineinander verwucherten Pflanzen hindurch ihre Umgebung beobachteten, schien es ihnen, als sei zumindest dieser Teil von Ptaath bar jeden Lebens. Nicht einmal Fische zeigten sich in der Nähe des Pferches.
Dank Sosonas Magie hatte Omera inzwischen ihre Gleichgültigkeit allen Geschehnissen gegenüber verloren. Zumindest gab sie sich den Anschein, daß sie das Leben wieder als erstrebenswertes Gut betrachtete.
»Wir schwimmen einzeln hinüber«, bestimmte Gorma. »Falls irgendwo Tritonen lauern, können wir ihnen so noch ausreichend Widerstand leisten.«
»Wenigstens stirbt dann nur eine von uns«, nickte Scida. »Wer macht den Anfang?«
»Weshalb schickt ihr nicht den Sklaven los?« meinte Gerta. »Um ihn ist es nicht schade.«
Mit keiner Regung gab Gerrek zu erkennen, daß er dem Gespräch folgte, das allmählich eine für ihn unangenehme Wende nahm. Scheinbar unbeteiligt kramte er in seinem Beutel.
»Ich glaube kaum, daß er weit käme«, meinte Kalisse. »Allein auf sich gestellt, ertrinkt er schon nach den ersten zwanzig Schritten.«
»Dann bedeutet er wenigstens keine Last für uns«, stellte Gerta fest. »Außer seinem großen Mundwerk scheint er keine besonderen Fähigkeiten zu besitzen.«
»Du sprichst von mir?« schreckte Gerrek unvermittelt zusammen und ließ die Flöte, die er gedankenverloren in Händen hielt, blitzschnell in seiner Hautfalte verschwinden.
Gerta nickte.
»Geh schon!« befahl sie.
»Nein«, machte der Mandaler.
»Als Sklave hast du zu gehorchen.«
»Ich bin niemandes Diener.« Gerrek verzog sein Maul zur Andeutung eines Grinsens. »Jeder weiß, daß Beuteldrachen ein freies und stolzes Volk sind, das den Kampf nicht scheut…«
»… aber das Wasser«, unterbrach Kalisse.
»Wo lebt dein Volk?« fragte Gerta ein wenig verunsichert. »Obwohl ich weit herumgekommen bin, habe ich nie davon gehört.«
»Es steht vor dir«, schnauzte Gerrek.
Bevor die beiden sich gegenseitig an die Kehle gehen konnten - Gerta maß immerhin sechs Fuß und besaß fast die Statur einer Amazone -, trat Gorma zwischen sie.
»Ich werde es versuchen. Gerrek, du kannst trotz der Dämmerung den Hügel erkennen, durch den die Straße führt?«
»Als läge er im hellen Sonnenglanz vor mir.«
»Gut. Dann wirst du es Scida sagen, sobald ich mein Ziel erreicht habe. Sie ist die nächste.«
»Und wie gelange ich hinüber?«
Gorma sah den Mandaler erstaunt an.
»Du wirst ebenfalls schwimmen müssen. Oder willst du allein hier zurückbleiben?«
Betreten schwieg der Beuteldrache. Insgeheim verfluchte er die Hexe, die ihm diese Gestalt gab. Nicht nur die
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