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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Weshalb bin ich nicht bereit, mich dem Willen des Merlin zu fügen, wenn ich ihn schon für so weise halte?
    Nachdem Igraine lange Zeit in das erlöschende Feuer gestarrt hatte, schmerzten ihre Augen, und sie überlegte, ob sie zurück ins Bett gehen und sich neben Gorlois legen sollte oder sich lieber doch anziehen und hinausgehen, damit sie nicht einschlief und dem angekündigten Traum des Merlin auswich?
    Igraine erhob sich und tappte leise durch den Raum zur Pforte. Es erstaunte sie nicht übermäßig, daß sie sich, eingehüllt in den Umhang, immer noch am Feuer sitzen sah, als sie sich umdrehte. Sie machte sich nicht die Mühe, die Tür der Kammer zu öffnen oder den Riegel an der großen Haustür zurückzuschieben. Wie ein Geist glitt sie mühelos hindurch.
    Doch der Hof, der zum Hause gehörte, war verschwunden. Sie stand mitten in einer weiten Ebene. Riesige Steine schlössen sich zu einem großen Kreis, auf den die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne fielen… nein, nicht das Sonnenlicht, im Westen setzte ein mächtiges Feuer den Himmel in Flammen.
    Im Westen… dort lagen die verschollenen Länder Lyonness und Ys und auch die große Insel Atlas-Alamesios oder auch Atlantis – das vergessene Reich im Meer. Ja, das große Feuer hatte dort gewütet, als der Berg auseinanderbrach in einer einzigen Nacht. Hunderttausend Männer, Frauen und Kinder kamen dort ums Leben.
    »Aber die Priester wußten es«, hörte Igraine eine Stimme an ihrer Seite. »In den letzten hundert Jahren haben sie den Sternentempel hier in der Ebene erbaut, damit sie auch fürderhin den Gang der Jahre verfolgen und die Finsternis von Sonne und Mond voraussagen können. Die Menschen hier kennen nichts davon. Aber sie wissen, daß wir weise Priester und Priesterinnen von jenseits des Meeres sind. Sie werden für uns bauen, so wie sie für andere gebaut haben…«
    Igraine blickte auf und sah ohne zu erstaunen einen Mann in einem blauen Mantel neben sich. Seine Augen waren die blauen Augen von Uther Pendragon; aber er hatte ein anderes Gesicht und trug einen seltsam hohen Kopfschmuck, um den sich Schlangen wanden. Auch an seinen Armen sah sie goldene Schlangen – Armreife oder Armbänder …
    Ein kalter Wind jagte über die Hochebene, wo der Ring aus Steinen auf die Sonne wartete, die über dem Fersenstein aufging. Igraine hatte den Sonnentempel in Salisbury nie gesehen, denn die Druiden mieden ihn. Wer, so sagten sie, konnte die Großen Götter hinter einem Tempel anbeten, der von Menschenhand geschaffen war?
    Deshalb fanden ihre Riten in Hainen statt, welche die Götter angelegt hatten. Aber als sie noch ein Mädchen war, hatte Viviane ihr von diesem Tempel erzählt, und seine Baumeister hatten ein Wissen und Können besessen, das heute verloren war. Auch wer die Geheimnisse der Priester nicht kannte, konnte damals die Finsternis von Sonne und Mond vorausberechnen, den Lauf der Gestirne verfolgen und das Kommen und Gehen der Jahreszeiten bestimmen. Igraine wußte, daß Uther neben ihr – war er es wirklich, dieser hochgewachsene Mann im Gewand einer Priesterkaste, die vor Jahrhunderten mit einem Land unterging, das nur noch als Legende lebte, war das wirklich Uther? – nach Westen auf den brennenden Himmel blickte.
    »Und es begab sich, was sie geweissagt haben«, sagte er und legte ihr den Arm um die Schultern. »Bis zu diesem Augenblick habe ich es nie wirklich geglaubt, Morgan.«
    Einen Augenblick lang überlegte Igraine, die Gemahlin des Herzogs Gorlois, weshalb dieser Mann sie mit dem Namen ihres Kindes anredete. Aber noch während sie darüber nachdachte, wußte sie, daß Morgan kein Name, sondern der Titel einer Priesterin war. Er bedeutete nicht mehr als
die Frau, die aus dem Meer kommt.
Und selbst für den weisen Merlin von Britannien wäre ihre Religion nicht mehr als eine Legende, nicht mehr als der Schatten einer Legende gewesen…
    Igraine hörte sich ohne eigenes Zutun sagen: »Auch ich hielt es für unmöglich, daß Lyonness, Ahtarrath und Ruta vergehen und verschwinden würden, als hätte es sie niemals gegeben. Glaubst du, es ist wahr, daß die Götter Atlantis bestrafen, weil die Menschen gesündigt haben?«
    »Ich glaube nicht, daß die Götter so handeln«, antwortete der Mann an ihrer Seite. »Das Land erbebt in dem großen Ozean jenseits des Wassers, das wir kennen. Und obwohl man in Atlantis von den verschollenen Ländern Mu und Hy-Brasil redete, weiß ich, daß in dem größten der Meere, das noch

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