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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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hinter dem Sonnenuntergang liegt, die Erde erzittert. Inseln tauchen auf und versinken wieder, obwohl die Menschen die Sünde und das Böse nicht kennen und in Unschuld leben, wie wir es taten, ehe uns die Götter die Erkenntnis von Gut und Böse gaben. Und wenn die Erdgötter an den Unschuldigen und den Sündern gleichermaßen Rache üben, kann dieses Zerstören keine Strafe für Sünden sein, sondern liegt im Wesen der Natur. Ich weiß nicht, ob sich dahinter ein tieferer Sinn verbirgt, oder ob das Land nur noch nicht seine endgültige Form gefunden hat, so wie Männer und Frauen als Kinder noch nicht vollkommen sind. Vielleicht kämpft auch das Land um die Reife seiner Seele und sucht Vollkommenheit. Ich weiß es nicht, Morgane. Diese Fragen beschäftigen die Priester mit den höchsten Weihen. Ich weiß nur, daß wir die Geheimnisse der Tempel mit uns genommen haben. Und wir hatten geschworen, das nie zu tun. Also sind wir eidbrüchig geworden.«
    Zitternd sagte Igraine: »Wir handelten auf Geheiß der Priester.«
    »Kein Priester kann uns von diesem Wortbruch lossprechen, denn das Echo eines Schwurs im Angesicht der Götter klingt durch alle Zeiten. Wir werden leiden müssen. Es war nicht recht, daß das Wissen unserer Tempel im Meer versinken sollte, und man schickte uns in voller Kenntnis, daß wir für den gebrochenen Schwur Leben um Leben leiden werden, aus dem Land, um das Wissen zu retten. Es mußte so sein, meine Schwester.«
    Sie erwiderte vorwurfsvoll: »Aber weshalb sollten wir über dieses Leben hinaus für etwas bestraft werden, das zu tun man uns befohlen hat? Hielten die Priester es für richtig, daß wir leiden, weil wir ihnen gehorchen?«
    »Nein«, antwortete der Mann, »doch denke an den Eid, den wir abgelegt haben…«, plötzlich erstarb seine Stimme, »… den Schwur in einem Tempel, der jetzt im Meer versunken ist, und wo der große Orion niemals mehr herrschen wird. Wir haben geschworen, das Los dessen zu teilen, der das Feuer vom Himmel stahl, damit die Menschen nicht länger in Dunkelheit leben. Das Geschenk des Feuers brachte viel Gutes… aber auch viel Böses, denn der Mensch lernte, sich zu versündigen und Mißbrauch damit zu treiben. Und er, der das Feuer stahl, leidet deshalb bis in alle Ewigkeit an den Felsen geschmiedet, und der Geier frißt noch immer an seiner Leber, obwohl sein Name in jedem Tempel verehrt wird, weil er den Menschen das Licht gebracht hat… Geheimnisse sind das und Mysterien. Der Mensch kann den Priestern und ihren Gesetzen, die sie machen, blind gehorchen und in Unwissenheit leben. Er kann jedoch auch mit Absicht ungehorsam sein, dem Lichtbringer folgen und das Leid auf dem Rad der Wiedergeburt erdulden. Und sieh…«, er deutete auf den Himmel, wo das Bild des Einen stand, der größer war als die Götter: An seinem Gürtel funkelten die drei Sterne der Reinheit, der Gerechtigkeit und der freien Wahl. »Dort steht er noch immer, obwohl sein Tempel versunken ist. Sieh, das Rad dreht sich auf seinem kreisenden Pfad, auch wenn die Erde unten sich in Qualen windet und Städte, Tempel und Menschen in den Feuertod stürzt. Wir haben hier einen neuen Tempel errichtet, damit seine Weisheit niemals stirbt.«
    Der Mann, von dem sie wußte, daß er auch Uther war, umarmte sie und weinte. Ungestüm zog er ihr Gesicht an sich und küßte sie. Sie schmeckte das Salz ihrer eigenen Tränen auf seinen Lippen. Er sagte: »Ich kann es nicht bedauern. Im Tempel lehrte man uns, daß die wahre Freude nur in der Befreiung aus dem kreisenden Rad von Tod und Wiedergeburt liegt. Wir müssen irdische Freuden und irdisches Leid verachten und uns nur nach dem ewigen Frieden sehnen. Trotzdem liebe ich das Leben auf dieser Erde, Morgane. Ich liebe dich, und meine Liebe ist stärker als der Tod. Und wenn die Sünde der Preis dafür ist, daß wir uns Leben um Leben durch die Jahrhunderte hinweg aneinanderbinden, will ich mit Freuden und ohne Bedauern sündigen, damit du, meine Geliebte, zu mir zurückkommst.«
    In ihrem ganzen Leben hatte Igraine noch keinen so leidenschaftlichen Kuß erlebt… etwas, das über reine Sinnenlust hinausging, schien
    sie mit diesem Mann zu verbinden. In diesem Augenblick durchzuckte sie die Erinnerung; plötzlich wußte sie, woher sie ihn kannte. Zwischen den hohen Marmorsäulen auf den goldenen Stufen des großen Tempels des Orion, der sich über der Stadt der Schlange erhob und zu dem die breite Allee der Sphinxen führte – Fabelwesen mit dem Körper von

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