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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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überrascht zu werden. Bis zum Sonnenaufgang war es noch Zeit. Morgaine rieb sich die brennenden Augen. Draußen bellte irgendwo ein Hund, ein Kind weinte, und aus dem Garten drang gedämpft das Zwitschern der Vögel.
    Morgaine spähte durch einen Schlitz in der Mauer nach draußen und dachte:
Noch einen Mond, und es wird um diese Zeit bereits heller Tag sein.
Überwältigt von den Erinnerungen an die vergangene Nacht, lehnte sie sich einen Moment lang an das Mauerwerk.
Ich wußte nie,
dachte sie,
ja, ich habe nie gewußt, was es heißt, nur eine Frau zu sein. Ich habe ein Kind geboren, ich bin seit vierzehn Jahren verheiratet und hatte Liebhaber… aber ich wußte nichts, nichts…
    Plötzlich fühlte sie sich roh am Arm gepackt. Avalloch fragte barsch: »Wieso treibst du dich um diese Zeit im Haus herum, Mädchen?« Offensichtlich hielt er sie für eine der Dienerinnen. Es gab kleine und dunkle Frauen darunter, in denen das Blut des Alten Volkes floß. »Laßt mich los, Avalloch«, entgegnete Morgaine und blickte ihrem Stiefsohn ins Gesicht, das undeutlich vor ihr auftauchte. Er war dick und schwammig. Er hatte bereits ein Doppelkinn, die kleinen Augen standen eng zusammen. Accolon und Uwain waren schöne Männer. Und man konnte ahnen, daß Uriens früher auch auf seine Weise gut ausgesehen hatte, aber Avalloch bestimmt nicht.
    »Oh, meine Herrin und Mutter!« Er trat einen Schritt zurück und machte eine übertriebene Verbeugung. »Ich frage noch einmal, was tut Ihr hier um diese Zeit?«
    Er ließ ihren Arm nicht los. Morgaine befreite sich aus seinem Griff, als sei seine Hand ein lästiges Insekt. »Bin ich Euch Rechenschaft schuldig? Dies hier ist mein Haus, in dem ich tue und lasse, was ich will. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
Er mag mich nicht,
dachte sie,
er mag mich ebenso wenig wie ich ihn.
    »Versucht mir nichts vorzuspielen, Herrin«, entgegnete Avalloch, »glaubt Ihr, ich weiß nicht, in wessen Armen Ihr die Nacht verbracht habt?«
    Sie erwiderte verächtlich: »Seit wann versucht Ihr, mit Zauberei und dem Gesicht zu spielen?«
    Er senkte die Stimme und sagte schmeichlerisch: »Natürlich muß es für Euch langweilig sein, diesen alten Mann im Bett zu haben, der alt genug ist, Euer Vater zu sein… aber ich möchte die Gefühle meines Vaters nicht verletzen, indem ich ihm erzähle, wo seine Frau die Nächte verbringt… vorausgesetzt«, er legte den Arm um Morgaine und zog sie an sich, beugte sich über sie und küßte sie auf den Nacken. Seine Bartstoppeln taten weh, »… vorausgesetzt, Ihr kommt hin und wieder auch in mein Bett.«
    Morgaine machte sich von ihm los und versuchte scherzhaft zu antworten: »Aber Avalloch, weshalb solltet Ihr Eurer alten Stiefmutter nachstellen, solange Ihr die Frühlingskönigin und all die hübschen jungen Mädchen im Dorf genießen könnt…«
    »In meinen Augen seid Ihr schon immer eine schöne Frau«, erwiderte er. Seine Hand glitt in das halboffene Gewand, um ihr die Schultern zu streicheln. Sie wich zurück. Sein Gesicht verzerrte sich höhnisch. »Warum spielt Ihr vor mir die sittsame Jungfrau? War es Accolon oder Uwain, oder waren es beide zusammen?«
    Sie starrte ihn an. »Uwain ist mein Sohn! Er hat nie eine andere Mutter gekannt!«
    »Wollt Ihr mir weismachen, das würde Euch abhalten, Lady Morgaine? An Artus' Hof ist es allgemein bekannt, daß Ihr als Lancelots Geliebte versucht habt, ihn der Königin auszuspannen. Ihr habt auch das Bett des Merlin geteilt… und nicht einmal vor Eurem Bruder haltgemacht. Deshalb hat der König Euch vom Hof geschickt, damit Ihr ihn nicht länger vom christlichen Pfad der Tugend ablenkt… warum solltet Ihr da Euren Stiefsohn verschmähen? Weiß Uriens übrigens, was für eine verteufelte Hure er zur Gemahlin genommen hat, Herrin?«
    »Uriens weiß alles über mich, was er wissen muß«, erwiderte Morgaine; und die Sicherheit in ihrer Stimme überraschte sie selbst. »Was
    den Merlin angeht, wir waren damals beide unverheiratet und richten uns beide nicht nach den Gesetzen eines christlichen Hofes. Euer Vater wußte davon und hat es mir verziehen. Niemandem außer ihm steht das Recht zu, sich über mein Betragen zu beklagen. Wenn er es tut, werde ich ihm antworten. Aber Euch nicht, Avalloch! Ich gehe jetzt in mein Gemach und fordere Euch auf, in Euer Bett zurückzukehren.«
    »Versteckt Ihr Euch hinter den heidnischen Gesetzen von Avalon?« knurrte Accolons Bruder höhnisch. »Du Hure, du wagst zu behaupten, du seiest

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