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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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fraß… des Großen Rabens… der Zerstörerin…
    Und doch hatte er der Göttin viel gegeben. Sie streckte die Hand nach ihm aus… und zog sie zurück, denn unter ihrer Hand sah sie wie schon einmal einen Totenkopf…
    … Er ist dem Tod geweiht. Er sieht seinen Tod, und auch ich sehe ihn… Aber er soll nicht leiden und nicht gefoltert werden. Er hat die Wahrheit ge
    sprochen. Er hat getan, was die Göttin ihm befahl. Und ich muß jetzt das gleiche tun…
    Sie wartete, bis sie ihre Stimme wieder in der Gewalt hatte. In der Ferne hörte sie leises Donnergrollen.
    Schließlich sagte Morgaine: »Die Göttin ist gnädig. Führt ihn in den Eichenhain, wie es das Gesetz verlangt. Aber tötet ihn schnell, mit einem einzigen Streich. Begrabt ihn unter der großen Eiche, und diese Stelle soll jetzt und für alle Zeiten von allen Menschen gemieden werden. Kevin, letzter Bote der Götter! Ich verfluche dich. Du sollst alles vergessen und ohne Priesterschaft und unwissend wiedergeboren werden. Alles, was du in früheren Leben getan hast, soll ausgelöscht sein, und deine Seele soll zu den Einmalgeborenen zurückkehren. Hundertmal sollst du wiedergeboren werden, immer die Göttin suchen und sie niemals finden. Aber am Ende, Kevin… einst Merlin von Britannien… sei gewiß, wenn die Göttin dich will, wird sie dich wieder rufen.«
    Kevin sah ihr fest in die Augen. Er lächelte sie auf seine merkwürdige, liebenswürdige Weise an und sagte beinahe flüsternd: »Lebt wohl, Herrin vom See. Sagt Nimue, daß ich sie geliebt habe… Vielleicht werde ich es ihr aber auch selbst sagen. Denn ich glaube, es wird lange, lange dauern, ehe du und ich uns wiederbegegnen, Morgaine.« Und wieder untermalte leises Donnergrollen seine Worte.
    Morgaine fröstelte, als er auf die Arme seiner Bewacher gestützt sich davonschleppte, ohne sich noch einmal umzudrehen. Weshalb fühle ich mich so beschämt? Ich habe ihm eine Gnade erwiesen. Ich hätte ihn foltern lassen können. Sie werden auch mich eine schwächliche Verräterin nennen, weil er nicht zum Eichenhain gebracht und man ihn dort so quält, daß er schreiend den Tod erfleht, bis selbst die Bäume unter seinen Qualen erzittern… Ist es nur Schwäche, die mich davon abhält, einen Mann zu foltern, den ich einmal geliebt habe? Ist sein Tod so leicht und schnell, daß die Göttin sich an mir rächen wird? So sei es, selbst wenn ich den Tod erleiden muß, zu dem ich ihn nicht verurteilen konnte.
    Erschaudernd blickte sie zu den grauen Sturmwolken am Himmel hinauf.
Kevin hat sein ganzes Leben lang gelitten. Ich füge seinem Schicksal nur den Tod hinzu…
    Ein Blitz zuckte über den Himmel, und sie dachte erbebend:
So geht der letzte große Merlin im Sturm, der über Avalon hereinbricht, dahin …
    Morgaine wendete sich an Niniane: »Geh und achte darauf, daß mein Urteil vollstreckt wird. Man soll ihn mit einem Streich erschlagen, und sein Körper darf keine Stunde über der Erde bleiben.«
    Niniane blickte sie prüfend an – wußte wirklich jeder, daß sie sich einmal geliebt hatten? Aber Niniane fragte nur: »Und Ihr?«
    »Ich gehe zu Nimue. Sie wird mich brauchen.«
    Aber Morgaine fand Nimue nicht in ihrer Kammer und auch sonst nirgends im Haus der Jungfrauen. Morgaine eilte im Regen über die Höfe in das abgelegene Haus, in dem Nimue einst mit Raven gelebt hatte – aber sie war nicht dort und auch nicht im Tempel. Eine Priesterin berichtete Morgaine, Nimue habe nichts essen, nichts trinken und auch kein Bad nehmen wollen… Der Sturm wütete und tobte. Mit jedem Blitzschlag verstärkte sich Morgaines unheilvolle Ahnung. Sie befahl der gesamten Dienerschaft des Tempels, Nimue zu suchen. Aber in diesem Augenblick kam Niniane in Begleitung der Männer, die Kevins Urteil vollstrecken sollten, zurück.
    »Was ist geschehen?« fragte Morgaine kalt: »Weshalb werden meine Anordnungen nicht befolgt?«
    »Er wurde mit einem Streich getötet, Herrin vom See«, flüsterte Niniane. »Aber im gleichen Augenblick fuhr ein Blitz in die große Eiche… und spaltete sie. Die Heilige Eiche ist vom Wipfel bis zur Erde geborsten…«
    Morgaine glaubte, ein eisernes Band würde sich ihr um den Hals legen.
Es ist nicht so ungewöhnlich, daß mit dem Sturm ein Blitz kommt. Der Blitz trifft immer den höchsten Punkt. Aber daß es in der Stunde geschah, in der Kevin das Ende von Avalon voraussagte…
    Erschaudernd preßte sie unter dem Mantel die Arme an den Körper, damit die anderen nicht sahen, wie sie

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