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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Kirchenglocken läuteten den Angelus. Gwenhwyfar senkte den Kopf und flüsterte ein kurzes Gebet.
Heilige Mutter Gottes habe Erbarmen mit mir, einer sündigen Frau…
Plötzlich schien sie in ein strahlendes Licht getaucht, wie damals, als der Gral durch die Halle schwebte. Lancelot saß im Bug der Fähre und ließ den Kopf hängen. Seit er wußte, was sie vorhatte, mied er jede Berührung, und sie war froh darüber. Bereits der Druck seiner Hand hätte ihre Entschlossenheit dahinschwinden lassen. Ein dünner
Nebel lag
über
dem See,
und flüchtig glaubte sie, einen Schatten zu sehen – den Schatten einer schwarz verhängten Barke, an deren Bug eine dunkle Gestalt stand… aber nein, es war nur ein Schatten, nur ein Schatten…
    Die Fähre knirschte im Ufersand. Lancelot half ihr beim Aussteigen. »Gwenhwyfar… bist du sicher?«
    »Ja, ich bin ganz sicher«, antwortete sie und versuchte, entschlossener zu antworten, als sie in Wirklichkeit war.
    »Dann werde ich dich zur Klosterpforte begleiten«, erwiderte der Ritter. Sie spürte plötzlich, daß ihm dieser Weg größeren Mut abverlangte, als ihretwegen mit dem Schwert gegen seine Freunde zu kämpfen.
    Die alte Äbtissin erkannte die Königin wieder. Sie begrüßte Gwenhwyfar voll Ehrfurcht und Erstaunen. Gwenhwyfar erzählte ihr die Geschichte, zu der sie sich entschlossen hatte – daß böse Zungen ihretwegen Streit zwischen Artus und Lancelot gestiftet hätten. Sie habe deshalb beschlossen, hier Zuflucht zu suchen, damit die beiden Männer den Zwist beilegen konnten.
    Die alte Frau tätschelte ihr die Wange, als sei sie die kleine Gwenhwyfar, die man hier als Kind unterrichtet hatte. »Seid willkommen, meine Tochter. Ihr könnt bleiben, solange Ihr wünscht… auch für immer. Wir weisen niemandem die Tür, der Zuflucht bei Gott sucht. Aber hier werdet Ihr keine Königin sein«, erklärte sie warnend, »sondern nur eine unserer Schwestern.«
    Gwenhwyfar seufzte unendlich erleichtert. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht gewußt, wie schwer die Bürde auf ihr lastete, eine Königin zu sein. »Ich muß meinem Ritter Lebewohl sagen, ihm alles Gute wünschen und ihn bitten, den Streit mit meinem Gemahl beizulegen.«
    Die Äbtissin nickte ernst. »In diesen Tagen kann unser guter König Artus auf keinen seiner Ritter verzichten und schon gar nicht auf den edlen Lancelot.«
    Gwenhwyfar ging in den Vorraum zurück, wo Lancelot ruhelos auf und ab lief. Er griff nach ihren Händen. »Ich kann es nicht ertragen, dir hier Lebewohl zu sagen, Gwenhwyfar… oh, meine Herrin, meine Geliebte, muß es wirklich sein?«
    »Es muß sein«, erwiderte sie unnachgiebig, wußte aber gleichzeitig, daß sie zum ersten Mal handelte, ohne dabei an sich zu denken. »Dein Herz gehörte immer Artus, mein Liebster. Ich denke oft, unsere einzige Sünde bestand nicht darin, daß
wir
uns liebten, sondern daß ich zwischen eurer Liebe stand.«
    Wenn es zwischen uns Dreien immer so gewesen wäre wie in dieser Nacht an Beltane, als ich Morgaines Liebesamulett trug, dann hätte es weniger Sünde gegeben,
dachte sie.
Die Sünde war nicht, daß wir zusammenlagen, sondern daß daraus Zwietracht entstand und dadurch weniger Liebe.
    »Ich schicke dich in aller Liebe zu Artus zurück, mein Geliebter. Sage ihm, daß ich ihn deshalb nie weniger geliebt habe.« Lancelots Gesicht wirkte beinahe verklärt.
    »Das weiß ich jetzt«, sagte er, »und ich weiß auch, daß ich ihn deshalb nie weniger geliebt habe. Ich glaubte immer, dir Unrecht zu tun, weil ich ihn liebte…« Er hätte sie geküßt, aber es schickte sich hier nicht. Deshalb beugte er sich nur über ihre Hand. »Betet für mich, Herrin, solange Ihr im Haus Gottes weilt.«
    Meine Liebe zu dir ist mein Gebet,
dachte sie,
die Liebe ist das einzige Gebet, das ich kenne.
    Sie glaubte, ihn nie mehr geliebt zu haben, als in dem Augenblick, in dem sich die Klosterpforte mit einem harten und endgültigen Geräusch hinter ihm schloß. Sie glaubte, hinter den Mauern eingeschlossen zu werden.
    Vor langer Zeit hatten diese Mauern ihr das Gefühl gegeben, so sicher, so behütet zu sein. Jetzt wußte sie, daß sie den Rest ihres Lebens zwischen ihnen verbringen würde…
Als ich die Freiheit besaß,
dachte sie,
ersehnte ich sie nicht und fürchtete sie. Jetzt habe ich gelernt, sie zu lieben und mich nach ihr zu sehnen und gebe sie im Namen meiner Liebe auf!
Undeutlich spürte Gwenhwyfar, daß es so richtig war… ein Geschenk und ein Opfer, das sie Gott

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