Die Nebel von Avalon
Was kümmert es mich, welcher Mann im Bett der Königin liegt! Gwenhwyfar ist nicht schlimmer als du… seit ich denken kann, hattest du ständig andere Männer im Bett…«
»Oh, mein Sohn…«, flüsterte Morgause entgeistert. »Wie kannst du so mit mir sprechen? Gareth war mein Sohn…«
»Was lag dir je an Gareth… oder an einem von uns… oder an irgend etwas. Du hast immer nur an deine Lust und an deinen Ehrgeiz gedacht! Du wolltest mir einen Thron aufdrängen, aber nicht um meinetwillen, sondern um deine Machtgier zu befriedigen!« Er stieß sie von sich. »Geh zurück nach Lothian… oder in die Hölle, wenn der Teufel dich haben will. Ich schwöre dir, wenn du mir noch einmal unter die Augen trittst, werde ich alles vergessen, außer daß du die Mörderin des einen Bruders bist, den ich geliebt habe…«
Gawain schob seine Mutter schnell aus der Kammer. Sie hörte noch, wie Gwydion schluchzte: »Oh, Gareth, Gareth, wäre ich doch vor dir gestorben…«
Gawain sagte knapp: »Cormac, bringt die Königin von Lothian in ihr Gemach.«
Cormacs starker Arm hielt Morgause aufrecht; nachdem man die Halle durchquert hatte, und sie das schreckliche Schluchzen nicht
mehr hörte, begann die Königin von Lothian wieder freier zu atmen. Wie konnte er sich so gegen sie wenden? Sie hatte doch immer nur an sein Wohl gedacht! Als Mutter mußte sie natürlich um Gareth trauern. Aber Gareth war Artus' Mann! Gwydion hätte das früher oder später sicher auch erkannt. Sie blickte zu Cormac auf. »Ich kann nicht so schnell gehen… macht langsamer.«
»Gewiß, Herrin!« Sie war sich seines Arms deutlich bewußt, der sie schützend hielt. Sie lehnte sich einen Augenblick an ihn. Gwenhwyfar gegenüber hatte sie mit ihrem jungen Liebhaber geprahlt. Aber in Wirklichkeit hatte sie ihn noch nie zu sich ins Bett genommen… sie ließ ihn zappeln. Nun legte sie den Kopf an seine Schulter. »Ihr seid Eurer Königin treu ergeben, Cormac.«
»Ich stehe treu zu meinem Königshaus, wie meine Familie es schon immer tat«, erwiderte der junge Mann in ihrer Sprache, und sie lächelte.
»Hier ist meine Kammer… helft mir hinein, ich kann kaum noch gehen…« Auf ihn gestützt, ging sie zum Bett und ließ sich darauf nieder. »Wünscht meine Herrin, daß ich Eure Frauen rufe?«
»Nein«, flüsterte sie und griff nach seinen Händen. Sie wußte, daß ihre Tränen verführerisch wirkten. »Du warst mir treu, Cormac. Und diese Treue soll jetzt belohnt werden… komm her…«
Sie streckte ihm die Arme entgegen, schloß halb die Augen und öffnete sie entsetzt wieder, da er verlegen zurückwich. »Ich… ich glaube, Ihr seid völlig durcheinander, Herrin«, stammelte Cormac. »Was glaubt Ihr von mir? Wofür haltet Ihr mich? Herrin, ich habe soviel Achtung vor Euch wie vor meiner Großmutter! Sollte ich es vielleicht ausnützen, daß eine alte Dame wie Ihr… außer sich vor Trauer ist? Ich werde Eure Kammerfrau rufen. Sie wird Euch einen Schlaftrunk bereiten, und ich will vergessen, was Ihr in Eurer Verwirrung gesagt habt, meine Königin.«
Morgause spürte diesen unerwarteten Schlag in der Magengrube und immer neue Schläge in ihrem Herzen…
meine Großmutter … alte Dame… außer sich vor Trauer…
Die ganze Welt war plötzlich wahnsinnig… Gwydion hatte den Verstand verloren und sie verflucht…
dieser Mann, der ihr so lange begehrliche Blicke zugeworfen hatte, wendete sich jetzt gegen sie… sie wollte aufschreien, ihre Diener rufen und ihn peitschen lassen, bis ihm das Blut über den Rücken floß und das Echo seines Winselns um Gnade von den Wänden widerhallte. Aber als sie den Mund öffnete, schien sich das ganze Gewicht ihres Lebens wie eine tödliche Last auf sie herabzusenken.
»Ja«, sagte sie tonlos. »Ich wußte nicht, was ich rede… ruft meine Frauen, Cormac, und sagt ihnen, sie sollen mir Wein bringen. Wir reiten morgen in aller Frühe nach Lothian zurück.« Nachdem er gegangen war, saß sie auf dem Bett und besaß noch nicht einmal die Kraft, die Hand zu heben.
Ich bin eine alte Frau. Ich habe meinen Sohn Gareth verloren. Ich habe Gwydion verloren, und ich werde nie als Königin in Camelot herrschen. Ich habe zu lange gelebt.
14
Gwenhwyfar klammerte sich mit geschlossenen Augen fest an Lancelot, während sie durch die Nacht galoppierten. Sie hatte das Gewand bis über die Knie geschoben, und ihre nackten Beine preßten sich an den Pferdeleib. Sie wußte nicht, wohin sie ritten. Lancelot war für sie ein Fremder,
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