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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Derselbe Grund, der mich veranlasst hat, in der Abtei zu bleiben. Du stehst doch gut mit Albin und dein Vater war ein einflussreicher Mann. Ja, du musst es wissen und du wirst es mir verraten!«
    »Aber was?«
    Waldo brachte sein Gesicht so nahe vor das ihre, dass sein schlechter Atem ihr Übelkeit verursachte. Jetzt sah sie auch seine widerlichen Raubtierzähne, die gefährlich funkelten.
    »Wo ist der Schatz versteckt?«
    »Der Schatz?«, wiederholte Gerswind, ohne zu begreifen.
    »Tu nicht so scheinheilig!«, herrschte Waldo sie an. Er umklammerte ihren rechten Oberarm und drückte so fest zu, dass es schmerzte. »Du musst von dem Schatz wissen, den die Mönche hier verborgen haben. Verrat mir das Versteck, und ich lasse dich frei. Ich werde dafür sorgen, dass du fliehen kannst. Verstehst du denn nicht? Ich biete dir dein Leben!«
    Jetzt begriff Gerswind und brach zu seiner Verwunderung in ein hysterisches Kichern aus. »Aber den Schatz gibts gar nicht. Albin und Findig haben die Geschichte erfunden. Das haben sie dir doch gesagt.«
    »Das wollen sie mir weismachen und du auch. Ihr steckt alle unter einer Decke, um den Schatz für euch zu behalten. Aber ich weiß, dass es ihn gibt. Findig hat mir einen Beutel voller Edelsteine gegeben. Wo der herkommt, da muss noch mehr sein. Also rede!«
    Waldo drückte ihren Arm jetzt so stark, dass sie vor Schmerz aufstöhnte. Das Geräusch ging im lauten Krachen der heftig aufgestoßenen Tür unter. Der Vogt betrat die Zelle, begleitet von Soldaten mit Waffen und Fackeln.
    Er riss Waldo von der Pritsche zurück und fragte: »Was tust du hier? Wie bist du hereingekommen?«
    Ein schiefes Lächeln des Mischlers sollte wohl entschuldigend wirken. »Verzeih, Herr! Ich war so kühn, die Schlüssel an mich zu nehmen, um die Elbentrötsche zum Reden zu bringen, bevor es zu spät ist.«
    »Zum Reden, worüber?«
    »Uber die Nebelkinder. Sie kann uns bestimmt einiges erzählen, was uns nützlich ist bei unserem Kriegszug.«
    »Was für ein Kriegszug?«, fragte Gerswind.
    »Halt den Mund und bete lieber, deine letzte Stunde hat geschlagen«, sagte Wenrich zu ihr und wandte sich wieder dem Mischler zu. »Wir beide unterhalten uns noch.« Er gab seinen Männern einen Wink. »Bringt die Elbenbuhlerin zur Richtstatt, der Scheiterhaufen soll diesen kalten Morgen erwärmen!«
    Die Soldaten nahmen Gerswind in die Mitte und führten sie auf den Hof, wo sie zum ersten Mal seit ihrer Verurteilung Arne wieder sah. Im Gegensatz zu ihr war der Nordmann gefesselt. Dicke Stricke wanden sich um seine Hände und Füße; die Fußfesseln ließen ihm gerade genug Spielraum für winzig kleine Schritte. An Flucht war nicht zu denken, zumal Wenrichs Männer ihre Speere stoßbereit in Händen hielten. Arnes Wangen wirkte trotz des Bartes eingefallen, seine Augen ruhten traurig auf Gerswind. Sein Kummer schien nicht durch seine bevorstehende Hinrichtung verursacht, sondern durch die Tatsache, dass er seiner Herrin nicht hatte helfen können.
    Gerswind sah ihn an und lächelte. Sie wollte ihm Mut machen, ihm zeigen, dass sie ihm keine Schuld gab.
    Das Morgenlob war verklungen und von der Kirche näherten sich in langer Prozession die Mönche von Mondsee. Gerswind schätzte ihre Zahl auf fünf oder sechs Dutzend. Sie hatten die Kapuzen ihrer dunklen Kutten übergestreift, wobei Gerswind nicht klar war, ob sie sich vor dem kalten Morgenwind oder vor dem Anblick der zum Tode verurteilten Sünder schützen wollten. Still und feierlich schritten die Mönche einher. Im unwirklichen, blassen Licht der beginnenden Dämmerung wirkten sie wie Schattenwesen aus dem Jenseits, die gekommen waren, um die Seelen der Todgeweihten zu holen.
    Vor den Soldaten und ihren Gefangenen hielt die
    Prozession an und einer der vorderen Mönche schob die Kapuze in den Nacken. Selbst im weichen Dämmerlicht wirkten Abt Manegolds Züge scharf. Ernst blickte er Gerswind an und fragte: »Bist zu bereit zu sterben?«
    »Was bleibt mir übrig?«
    Sie hielt seinem strengen Blick stand, sah keinen Grund, ihre Augen schamhaft vor dem Abt zu senken. Sicher war es ein Verstoß gegen die Gesetze des Königs und vielleicht auch gegen die Gebote des Herrn gewesen, Arne zu Albins Befreiung auszuschicken, aber sie würde es jederzeit wieder tun. Eine Elbentrötsche war sie nicht, aber wäre sie es gewesen, so hätte sie hierin keine Sünde entdecken können. Von Manegold erwartete sie nichts, keine Hilfe und kein Mitgefühl. Als er sich bei ihrem Prozess

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