Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
war, daß es sich um eine junge Frau handelte, der Statur nach eher ein Mädchen. Dann raubte ihm die Hitze für einen kurzen Moment die Besinnung.
Augenblicke später war er wieder bei Bewußtsein, und nichts hatte sich an seiner Lage geändert. Die Flammen tobten unvermindert. Höchstens ein Schrittweit trennte den Flammenring um den Scheiterhaufen von seiner Bestimmung.
Da bemerkte Faustus, wie sich seine Fesseln lösten. Das Mädchen huschte neben ihm übers Podest, in einer Hand ein blitzendes Messer. Ihr Kopf war eine rauchende Brandwunde. Ein Wunder, daß sie nicht die Besinnung verlor. Sie sprang vom Rand der Plattform hinab aufs Pflaster und folgte ihren Gefährten stolpernd durchs Stadttor, ohne ein Wort, ohne sich umzusehen. Faustus blieb keine Zeit, über das Wunder nachzudenken. Mit letzter Kraft schüttelte er die Fesseln ab, löste sich vom Pfahl und taumelte vom Podest in die Freiheit. Hinter ihm schloß sich mit einem Fauchen der Flammenring. Der Scheiterhaufen verwandelte sich in ein Inferno aus Höllenhitze und berstendem Holz. Das Knistern wurde zum Brüllen, das Feuer zum Fanal.
Faustus schleppte sich strauchelnd davon, gleichfalls in die Richtung des Stadttors, als plötzlich noch etwas geschah.
Der Priester taumelte kreischend aus der Kirche. Sein Gewand brannte lichterloh, ebenso seine Haare, seine Hände, sein Gesicht. Wie ein heidnischer Feuergott tanzte er in irren Verrenkungen vor dem Portal, sein Körper eine einzige Zuckung, geschüttelt von der grausamen Qual, mit der die Flammen seine Glieder verzehrten. Schließlich brach er leblos zusammen und verbrannte.
Faustus blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Irgend jemand mußte vom Schloß aus das Geschehen beobachtet haben. In wenigen Augenblicken würden sich die ersten ins Freie wagen, zumal immer mehr Rauch aus der Kirche drang. Im Inneren des Gebäudes tobte ein Feuer. Die maskierten Brandstifter hatten ganze Arbeit geleistet.
Bis zum Stadttor waren es nur noch wenige Schritte. Faustus bewältigte sie nur langsam, viel zu langsam. Er war nicht wirklich verletzt, aber die Hitze hatte seinen Körper geschwächt und ihn all seiner Kräfte beraubt. Er taumelte durch den Torbogen und blickte hinaus in die weite Landschaft. In der Ferne glaubte er sieben Gestalten auf Rössern zu sehen, die über die Felder davongaloppierten. Die Pferde mußten hier draußen bereitgestanden haben. Faustus wünschte sich mit aller Kraft, daß auch auf ihn eines wartete, doch seine Hoffnungen wurden enttäuscht. Kein Pferd weit und breit. Seine Befreiung war nicht geplant gewesen. Das Mädchen hatte nur Mitleid mit ihm gehabt.
Wenn er fliehen wollte, so mußte er es allein tun. Ganz auf sich gestellt. Ohne weitere Hilfe.
Es war nicht das erste Mal, daß er aus Asendorfs Fängen entkam. Doch nie zuvor war er seinem Schicksal so knapp entronnen. Der Inquisitor hatte ihn schon früher gefangen und eingekerkert, ihn sogar dem hochnotpeinlichen Verhör – der Folter – unterzogen. Trotzdem war Faustus stets der letzten aller Strafen entgangen. Und wieder war es ihm gelungen. Es fragte sich nur, wie lange.
Faustus schlug sich seitwärts ins Gebüsch, das an dieser Stelle bis an die Stadtmauer wucherte. Äste und Dornen stachen in seine Haut, doch der Schmerz, den sie verursachten, war nichts gegen die qualvolle Glut des Scheiterhaufens.
Auf der anderen Seite des Tores wurden Rufe laut. Offenbar hatte man den Schwindel bemerkt und die Leiche des Priesters entdeckt. Jemand schrie nach Wasser, um das Feuer in der Kirche zu löschen. Zugleich ergoß sich ein Dutzend bewaffneter Landsknechte aus dem Stadttor, um die Täter zu fassen. Wütend und verwirrt blickten sie sich um, als niemand zu sehen war.
Faustus beobachtete sie durch die Zweige: Eine stetig wachsende Zahl von Männern in geschlitzten, bunten Pluderhosen, breiten Kuhmaulschuhen und kurzen, engen Ärmeljacken. Auf den Köpfen trugen sie Kappen und federgeschmückte Barette, und da war keiner, der nicht mit Schwert, Spieß oder gar einer Handbüchse bewaffnet war.
Faustus befand sich in keiner beneidenswerten Lage. Asendorfs Schergen wußten, daß ihn die Flucht vom brennenden Scheiterhaufen geschwächt haben mußte. Seine einzige Hoffnung war, daß sie annehmen würden, er sei gemeinsam mit den Brandstiftern zu Pferd entkommen. Vielleicht würden sie darauf verzichten, die nähere Umgebung zu durchsuchen.
Doch seine Zuversicht wurde von neuem enttäuscht. Einer der Landsknechte, offenbar ihr
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