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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Schwertklinge, schlank und geschliffen scharf, und ich stieß sie mit aller Macht vorwärts, geradewegs ins Hirn des Mannes. Er riss die Zange in einer blitzschnellen Bewegung zurück, öffnete sie zugleich so weit es ging, dann wirbelte er herum, rammte sie in die Richtung des zweiten Mannes – und schloss die Zange um seinen Kehlkopf!
    Der Drang, mich abzuwenden, war übermächtig, doch damit hätte ich die Beeinflussung abgebrochen. Zudem war ich viel zu gefangen in den grausamen Gedanken des Mannes, als dass ich mich jetzt hätte zurückziehen können.
    Ein grauenvolles Knirschen ertönte, wie von einer unreifen, zertretenen Frucht, dann hallten die Schreie des zweiten Folterknechts von den Kerkerwänden wider. Es dauerte nicht lange, da gingen sie in ein Röcheln über, gefolgt von einem Poltern, als der blutüberströmte Mann zu Boden taumelte. Er schlug noch lange um sich und trat mit den Füßen ins Leere. Dann, endlich, lag er still.
    Ich befahl dem Mann mit der Zange, Angelinas Fesseln zu lösen. Beinahe hätte ich einen Fehler begangen. Im letzten Moment besann ich mich und gab ihm die Order, erst das Rad der Streckbank zurückzudrehen. Hätte er gleich eine von Angelinas Armfesseln durchtrennt – zum Zerreißen gespannt wie ihr Körper war –, hätte es den verbliebenen Arm aus der Gelenkpfanne gerissen. So aber verlief alles glimpflich, und bald war sie frei.
    Ich spürte, dass meine Macht sich allmählich erschöpfte, doch eine Fortführung der Beeinflussung war nicht mehr nötig.
    Angelina zog ein Bein an und trat dem Mann mit aller Kraft ins Gesicht. Der Tritt ließ seinen Kiefer splittern. Schreiend sank er auf die Knie. Angelina entwand ihm die Zange und hieb sie beidhändig auf seinen Schädel, so fest, dass der Knochen barst. Dann kam sie taumelnd auf die Beine, immer noch nackt und von ihrem eigenen Blut besudelt, stieg über den wimmernden Folterknecht und schleppte sich zu mir herüber. Es dauerte nicht lange, da war auch ich frei und spuckte den Knebel weit von mir. Ich nahm Angelina in die Arme, drückte sie an mich und murmelte Worte der Erleichterung, während Tränen über meine Wangen flossen und auf ihre weiße Schulter fielen.
    Wir fanden ihre Kleidung auf einem Haufen neben der Streckbank und wuschen ihr das Blut vom Körper. Angelina reckte und dehnte sich, um zu prüfen, ob all ihre Gelenke und Muskeln unbeschadet waren. Schließlich richtete sie sich auf und nickte knapp. Ich bestand darauf, mich zu vergewissern, dass ihre Schnittwunden nur Kratzer waren; Angelina selbst schien sie kaum mehr zu spüren, so brennend war ihr Hass auf ihre Peiniger. Ich sah, wie sie dem sterbenden Mann am Boden einen weiteren Tritt verpasste, der ihn endgültig verstummen ließ. Dann schlüpfte sie in Beinkleid und Wams. Zuletzt zog sie sich die Ledermaske über, die unweit des Kohlenbeckens am Boden lag.
    »Wir brauchen Waffen!« Ich blickte mich suchend in der Folterkammer um.
    Als hätten meine Worte unsichtbare Wälle herabgerissen, drang mit einem Mal das Klirren von Schwertern an unsere Ohren, oben im Palazzo, vermischt mit den Rufen und Schreien kämpfender Männer. Stahl schlug auf Stahl. Stahl biss in Fleisch. Die Laute einer Schlacht.
    Es blieb keine Zeit, überrascht zu sein. Faustus, dachte ich nur und verspürte einen Anflug heißen Triumphs. Der Meister war gekommen. Er war hier, um uns beizustehen.
    Wir fanden einen Strauß schartiger Schwerter in einem Holzfass und wählten zwei davon aus. Dann machten wir uns auf den Weg nach oben.
     
    Die letzten Verteidiger fielen vor einem doppelflügeligen Portal im oberen Stockwerk des Palazzo. Die Schwerter der Gardisten wüteten unter ihnen und ließen keinen von ihnen am Leben. Zuletzt blickten Faustus und seine Mitstreiter über einen Berg von Leichen, Männer aus aller Herren Länder, die ihre Schwerthand und Seele dem Borgia verschrieben hatten.
    Faustus wollte vorangehen, doch einer der Obersten der Garde kam ihm zuvor. Die beiden hatten nicht Seite an Seite gekämpft, und die Miene des Mannes war immer noch voller Geringschätzung für den mysteriösen Verbündeten. Faustus ließ ihm mit einem Schulterzucken den Vortritt, als das Portal unverhofft aufschwang, und ihnen eine Flut von Licht entgegenfiel.
    Das Dach des Palazzo war an dieser Stelle aus Glas, und Sonnenlicht ergoss sich in die privaten Gemächer des Borgia. Die Wände des ovalen Saals waren mit Spiegeln behängt, nicht gleichförmig, sondern von vielerlei Größe, mit

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