Die neue Rasse
dem sie geschaffen worden waren, hatte zur Inspiration einen Blick in die Hölle werfen dürfen .
Liliths Hände fuhren tastend über die rauhe Wand des gewaltigen Hauses, als hoffte sie, irgend etwas auffangen zu können. Vibrationen, die von Leben dahinter kündeten. Doch da war nichts. Der Stein fühlte sich tot an.
So wie die erste Leiche, die die Halbvampirin auf der breiten Treppe entdeckte, die zum Eingang führte. Der Mann, dessen Kleidung die eines Pflegers gewesen sein mußte, ehe etwas sie regelrecht in Stücke gerissen hatte, starrte hoch in die Gewitterwolken, blicklos, weil seine leeren Augenhöhlen sich mit Regen gefüllt hatten wie zwei winzige überlaufende Tümpel.
Der Regen hatte auch das Blut aus seinen Wunden gewaschen, und Lilith dachte bei seinem Anblick an das Opfer einer Operation, bei der man sich nicht hatte einigen können, was man nun eigentlich operieren wollte.
Im Haus selbst fand sie weitere Tote, von denen einige ebenso schlimm aussahen wie die Leiche auf der Treppe, die meisten jedoch noch furchtbarer. Jemand - etwas! - hatte hier nicht einfach nur gemordet, sondern in fürchterlichem Wahn getobt und gewütet. Und Lilith hatte eine Ahnung davon, worum es sich bei diesem Etwas gehandelt hatte.
Sie entdeckte verwüstete Labors, die sie ein wenig an Salem Enterprises erinnerten, und sie fand hingeschlachtete ... Kreaturen, die ins gleiche Bild paßten. Selbst jetzt, da die allermeisten dieser Opfer regelrecht zerrissen waren, konnte sich Lilith des Eindrucks nicht erwehren, daß der Tod für sie einer Erlösung gleichgekommen sein mußte.
Tiefer und tiefer drang sie in das >House of Awakening< - wie schrecklich unpassend dieser Name auf einmal war! - vor. Der Gestank kalten Blutes und toten Fleisches begleitete sie auf Schritt und Tritt, und sie erinnerte sich nicht, sich je zuvor so vor einem Ort geekelt zu haben wie vor diesem.
Je weiter sie sich in die Eingeweide des Hauses vorwagte, desto schlimmer wurden die Szenarien. Auf diese Weise konnte sie den Ursprung dieser Blutorgie ausmachen. Die Kraft, der Wahn, die Wut des Berserkers schien sich mit jedem Schritt, den er tat, ein klein wenig verflüchtigt zu haben.
Lilith erreichte den Keller und betrat einen Gang, der von offenen Kammern gesäumt wurde. Darin lagen Wesen, deren ursprüngliches Aussehen Lilith nicht einmal im Geiste zu rekonstruieren versuchte. Sie passierte eine schiefhängende Metalltür, deren freundlicher Pastellanstrich ihr angesichts der Todesfarben ringsum wie Hohn vorkam.
Dahinter reihten sich weitere Labors aneinander, und es war unschwer zu erkennen, woran und womit hier experimentiert worden war. In den Trümmern der Einrichtung erblickte Lilith Geschöpfe, die seltsam unfertig aussahen und deren Wunden nicht allein vom Wüten jenes Wahnsinnigen herrühren konnten, der hier alles zer-stört hatte.
Schließlich betrat sie einen weiteren Raum, und sie wußte, daß dies der Ort war, den sie eigentlich gesucht hatte. Obwohl sie längst sicher gewesen war, daß sie nicht mehr finden würde, weshalb sie gekommen war. Und in dem Chaos, in das dieses Labor verwandelt worden war, würde sie nicht einmal mehr eine wie auch immer geartete Spur dessen finden, den zu töten sie hier war.
Die Mitte des Raumes hatte einmal ein gläserner Tank eingenommen, wie Lilith sie auch bei Salem Enterprises gesehen hatte, letzt war das Behältnis zertrümmert, der zähe Brei hatte sich daraus ergossen und bildete einen schmierigen Film auf dem Boden. Ein Stück entfernt befand sich eine umgestürzte Liege, darüber hing von der Decke eine goldene Schale, in der noch Reste einer schwarzen Flüssigkeit klebten.
Wie in Gedanken versunken tunkte Lilith ihren Finger hinein und leckte die daran hängende Schwärze ab. Doch sie gewann nicht das geringste bißchen Genuß daraus. Alles Belebende hatte sich längst aus dem schwarzen Blut verflüchtigt.
Wieder an anderer Stelle sah Lilith eine Anhäufung feiner grauer Flocken, die von grob menschlichen Umrissen war. Es war nicht schwer zu erraten, daß hier offenbar ein Vampir gestorben war, vermutlich durch Genickbruch. Und Lilith hatte sogar eine Vermutung, um wen es sich dabei gehandelt haben mochte. In der Asche funkelte etwas wie winzige Sternchen. Straßsteine, wie Lilith erkannte, und die knappe Lederkleidung, die außerdem in der Asche lag, war ein weiteres Zeichen dafür, daß hier Henna ihr unseliges Leben ausgehaucht hatte .
Wie versteinert blieb Lilith in der Hocke, als
Weitere Kostenlose Bücher