Die Neunte Gewalt
Augenblick, bis er begriff, daß sich der Glanz einer gewaltigen Feuerlohe in ihnen spiegelte, die die beiden durch die schale, versengte Luft warf. Kimberlain prallte gegen noch in Plastik eingeschweißte, umgestürzte Geldscheinbündel und verlor Leeds kurz aus den Augen. Nun regneten zahlreiche einzelne Scheine hinab, von denen viele schon geschwärzt waren und andere Feuer fingen. Ein Teil des Bodens brach auf und enthüllte das Inferno, das in der Etage unter ihnen tobte.
Nur noch ein paar Sekunden, dann würde das gesamte Gebäude in die Luft fliegen!
Aber wo war Leeds?
Die Frage wurde beantwortet, als dessen taumelnde Gestalt drei Meter vor dem Fährmann aus einem Geldscheinstapel brach. Ein Grinsen – oder Lächeln? – verzerrte sein Gesicht. Seine zitternde Hand hielt die Pistole noch umschlossen.
»Hier endet es«, sagte er.
Kimberlain mußte hilflos zusehen, wie Leeds' Finger sich um den Abzug bog.
»Auch du hast verloren, Fährmann.«
Doch bevor Leeds abdrücken konnte, brachen gewaltige Teile der Decke und der Wände ein und rissen noch nicht umgestürzte Geldscheinstapel in den Weg eines anderen Feuerballs. Der Fährmann konnte einen letzten Blick auf Leeds werfen. Er stand wie eine Statue inmitten des tödlichen Geldes, das er geschaffen hatte, und hielt die verrückten Augen auf die Scheine gerichtet, als hieße er sie willkommen.
Hier endet es …
Ja, sobald das restliche GS-7 gezündet wurde. Aber nicht, bevor ich draußen bin, dachte Kimberlain bei sich.
Das Förderband war noch soweit erhalten, daß Kimberlain es durch die zusammenströmenden Flammen zum Erdgeschoß hinauflaufen konnte. Dort herrschte das nackte Chaos. Die Maschinen, die Leeds angeschaltet hatte, arbeiteten teilweise noch, bewegten jedoch höchstens Rauch anstatt Papier. Der Fährmann tanzte durch die Flammen und Trümmer, bis er in die Eingangshalle des Gebäudes gelangt war.
Er stürmte zu den Glastüren des Haupteingangs. Als er sie fast erreicht hatte, schleuderte ihn eine ohrenbetäubende Explosion wie eine Kanonenkugel vorwärts. Als er durch das Glas brach, hatte er seltsamerweise das Gefühl, in weichen, aber eiskalten Schnee zu stürzen, während der versengende Atem eines Drachen über seinen Nacken fuhr.
Der Aufprall kam mit betäubender Plötzlichkeit, und die schwarze Nacht schloß sich um ihn.
EPILOG
Kimberlain erwachte langsam und bemerkte eine gedrungene Gestalt, die zwischen seinem Bett und dem Fenster stand.
»Wer sind Sie?« brachte er mühsam hervor.
»Jones genügt«, erwiderte der Mann, während er mit einem unter dem Arm gefalteten Trenchcoat ans Bett trat.
»Washington?«
»So ungefähr.«
Kimberlain erwiderte andeutungsweise das Nicken des Mannes. Er wußte, daß Jones zu einem Aufräum-Kommando gehörte, zu einem Team der Geheimdienstgemeinde, das jeden Dreck, den die Regierung unter allen Umständen verschweigen wollte, skrupellos unter den Teppich kehrte. Seine Gesichtszüge waren so nichtssagend wie sein Job. Er war von mittlerer Größe und hatte ausgeprägte Geheimratsecken; sein verbliebenes Haar wurde allmählich grau, und jeder Muskel, den er noch haben mochte, war kaum mehr als eine Erinnerung. Als er bis auf einen Meter an das Bett herangetreten war, roch der Fährmann billiges Aftershave aus der Drogerie.
»Wir müssen noch einige Einzelheiten klären«, sagte Jones mit dem Interesse eines Mannes, der sich schon für seinen nächsten Termin verspätet hatte.
»Wo bin ich?« warf Kimberlain ein. Sein Hals war trocken, und er konnte nur unter Schwierigkeiten schlucken.
»Erinnern Sie sich nicht?«
»Nur in Bruchstücken, mehr nicht.«
»Sie sind in einem Krankenhaus. Es ist besser für Sie, wenn Sie den Namen und Ort nicht kennen. Das ist nicht das erste Krankenhaus, in dem Sie behandelt wurden. Nachdem Ihre Identität bestätigt wurde, haben wir Sie schnell verlegt.«
»Ich hatte doch keinen Ausweis dabei.«
»Wir haben Ihre Fingerabdrücke nach Washington geschickt. Als ihr Name fiel, hat man mich zu Ihnen geschickt.«
»Meine Verletzungen … wie schlimm sind sie?«
»Sie hatten Glück. Ein paar Chirurgen mußten an Ihrem Schlüsselbein herumschnibbeln. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung erlitten und sich bei dem Aufprall den rechten Knöchel gebrochen. Ansonsten zahlreiche Prellungen und Hautabschürfungen. Ich kann Ihnen eine Liste geben.«
»Sparen Sie sich die Mühe.« Kimberlain schluckte, so gut es ihm möglich war. Selbst das Blinzeln
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