Die Nibelungen neu erzählt
Und ihren Ring will ich auch!«
»Was willst du denn damit?«
»Ich will diese Dinge haben!«
Siegfried, der schon ahnt, das führt zu Streit, sagt:
»Ich will dir den Gürtel und den Ring der Brünhild aber nicht geben.«
Kriemhild: »Wenn du mir die Sachen nicht gibst, dann verlasse ich dich.«
Da überläßt Siegfried seiner Kriemhild den Gürtel der Brünhild und den Ring der Brünhild.
Am nächsten Tag ist Sonntag. Man geht zur Heiligen Messe im Münster zu Worms. Da kommt es zu diesem legendären Streit der Königinnen vor dem Münster. Der Zufall will es nämlich, daß Brünhild und Kriemhild ausgerechnet im selben Augenblick vor dem Münster anlangen.
Brünhild sagt: »Nein, ich werde als erste das Münster betreten, ich werde die erste sein. Du gehst hinter mir, du bist nicht standesgemäß verheiratet worden, Kriemhild.«
Kriemhild sagt: »Du wirst sehen, ich werde vor dir in das Münster gehen. Ich habe etwas mitgebracht für dich, Brünhild.«
Und sie weist ihr den Gürtel und den Ring vor und sagt: »Kennst du diese Sachen?«
Brünhild erschrickt, sie wird blaß im Gesicht und sagt: »Ja, das ist mein Gürtel, das ist mein Ring. Seit meiner Hochzeitsnacht vermisse ich diese beiden Dinge.«
Und nun Kriemhild, mit lauter Stimme, damit alle Umstehenden es hören können: »Ja, und ich kann dir auch erklären, warum du sie vermißt.«
Und sie erzählt mit lauter Stimme. Damit es alle Umstehenden hören können – unter ihnen auch Hagen von Tronje. Den haben wir schon beinahe vergessen. Er hat sich zurückgezogen. Alle hören die Schande der Brünhild und die Schande des Gunther.
Eine Krise bricht am Hof zu Worms aus. Brünhild ist ungeheuer gedemütigt worden. Siegfried will vermitteln, auch Gunther will vermitteln, die beiden wollen keinen Streit. Aber weder Kriemhild noch Brünhild sind zu beruhigen.
Hagens Spiel
Nun sieht Hagen wieder seine Chance gekommen, Hagen der Diplomat. Er spielt nun ein sehr verwegenes Spiel. In all den Jahren ist Hagen am Hof zu Worms immer bedeutungsloser geworden. Brünhild brauchte keinen starken Hagen an ihrer Seite. Da ist der Haß in Hagen hochgewachsen, und dieser Haß hat sich ganz und gar auf Siegfried konzentriert. Denn Hagen sagte sich: Wenn dieser Siegfried nicht gekommen wäre, dann wäre ich immer noch der erste Mann am Hof. Er hat mein Leben ruiniert.
Und Hagen hat diesen Haß in sich wachsen lassen, und nun endlich sah er eine Chance, sich zu rächen. Er tat es, wie er es am besten konnte, nämlich mit Diplomatie.
Zunächst ging er zu Brünhild und sagte: »Ich war Zeuge Eurer Demütigung, ich bin Euer Lehnsmann. Gebt mir Auftrag, die Rache zu führen. Ich werde es tun und werde mein Leben nicht schonen. Ich bin auf Eurer Seite.«
Brünhild sagte: »Ich gebe Euch den Auftrag, Siegfried zu töten!« Denn auch in ihr hatte sich der Haß ganz auf Siegfried konzentriert. Um so mehr vielleicht, weil sie tief in ihrem Herzen diesen Mann begehrte.
Als nächstes begab sich Hagen zu Gunther, und er sagte zu ihm: »Es ist entsetzlich, was passiert ist. Ihr habt nun nur eine einzige Möglichkeit, Eure Königswürde wieder reinzuwaschen. Ihr seid ungeheuer gedemütigt worden, und zwar von diesem Siegfried. Das werden alle so sehen. Alle werden sagen: Dieser Gunther hat Siegfried nötig, um diese Frau ins Bett zu kriegen. Es gibt nur eine Möglichkeit, Eure Königswürde wiederherzustellen: Ihr müßt Siegfried töten.«
»Wie soll ich das machen?« fragte Gunther resigniert. »Siegfried töten! Den Unverwundbaren! Der die Tarnkappe besitzt! Der das Schwert Balmung besitzt!«
»Wir müssen es gemeinsam tun«, sagte Hagen.
»Den Gatten meiner Schwester soll ich töten? Das wird sie mir nie verzeihen. Ich zerstöre ihr Leben!«
»Es bleibt Euch aber keine andere Möglichkeit, ob Ihr das wollt oder nicht.«
»Ich kann nicht«, sagte Gunther.
Hagen sagte: »Gut, dann dankt ab. Übergebt die Königswürde ganz Giselher oder Gernot.«
Das wollte Gunther natürlich auch nicht. Und so gelang es Hagen, ihn auf seine Seite zu ziehen.
Ein ganz anderes Spiel spielte Hagen bei Kriemhild.
Er sagte zu ihr: »Ihr seid in größter Gefahr. Auch Siegfried ist in Gefahr. Aber um ihn mache ich mir keine Sorgen, er ist ja unverwundbar. Aber Ihr, Kriemhild, Ihr seid es nicht. Man wird sich an Euch halten, um Siegfried zu schlagen. Ihr müßt mir vertrauen. Ich bin der einzige hier, der Euch schützen kann.«
Kriemhild sah keinen Grund, Hagen zu mißtrauen, er war
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