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Die niederländische Jungfrau - Roman

Die niederländische Jungfrau - Roman

Titel: Die niederländische Jungfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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mußte zurück. Eigentlich war der Fechtunterricht bei Louis noch besser als der im Saal da unten, wo das Blut auf der Bahn eintrocknete.
    Meinem Vater zufolge war der Morgen vernünftiger als die Nacht. Beschlüsse im Dunkeln zu fassen war sicherlich unvernünftig, aber ich hatte Angst, mich wieder schlafen zu legen. Sogar meine Träume waren mir fremd geworden. Laß dich nicht mitreißen, hatte Leni gesagt. Ich ging ins Bett zurück, starrte jedoch weiter ins Dunkel, bis ein paar Vögel zu zwitschern begannen und eine Stunde später wieder verstummten. Da war es Zeit für das Morgentraining.
    Im Fechtsaal standen die Zwillinge vor dem Meister, beide aufgebracht. Der Meister nahm es gelassen. Er griff erst ein, als Siegbert einen der antiken Pariser von der Wand nahm.
    »Häng ihn zurück, der ist sehr scharf.«
    »Ah, da ist ja unsere Kleine«, rief Friedrich. »Erzähl doch mal, Janna, war’s ein schönes Fest gestern?«
    Der Meister zwinkerte mir verschwörerisch zu, klar, um die Jungs brauchte ich mich nicht zu kümmern. Er wirkte heiter, als sei mit der Mensur auch sein Groll vorbei, aber ich konnte mir nicht vorstellen, daß er mir die Sache mit dem Foto verziehen hatte. Er liebte es nicht, wenn alte Wunden geheilt wurden, hatte er selbst gesagt. Verschiedentlich hatte ich ihn über das Mahnmal auf seiner Wange streichen sehen, als sei er sich nicht sicher, ob es noch da war. Er würde seinen Groll weiter hegen, so wie ein Hund immer wieder seine eigene Haut zerbeißt. Ich konnte nichts daran ändern. Ich wollte nur wissen, was mein Vater verbrochen hatte. Seine Schuld war meine, das war in von Böttichers Gesicht gekerbt, Zwinkern hin oder her.
    »Janna mußte Leni helfen, die Mensur hat sie nicht gesehen«, sagte er. »Eure Zeit kommt schon noch. Ich habe andere Pläne. Wenn ihr mal zuhören würdet …«
    Mit einiger Mühe legte er den Pariser wieder an die alte Stelle zwischen die Nägel. Er versuchte, mit einer Münze aus seiner Tasche den Rost abzukratzen. Die Zwillinge warteten, ihre Wut durch Neugier abgekühlt, aber der Meister kratzte und kratzte und murmelte nur etwas von Schleifpapier.
    »Also«, sagte er schließlich, »mein Plan sieht so aus. Ihr werdet das beste Team, das ich je ausgebildet habe. Ihr trainiert mit dem Mädchen, dafür braucht ihr euch nicht zu schämen, sie ist nicht schlecht. Die Kraft muß aus eurer Gleichheit kommen. Stellt euch vor …«
    Er griff nach einem Florett und ging vor dem Spiegel in die Auslage. In perfekter Haltung, wie ich es erwartet hatte. Alle Kraft dieses angespannten Körpers lief in der eleganten Linken aus, die ungezwungen hochgehalten wurde, als wäre die Rechte nicht bewaffnet. Zwischen der Spitze seines Floretts und desjenigen im Spiegel war nur ein Hauch, gerade genug, um den Eindruck zu erwecken, sein Spiegelbild sei ein Gegner aus Fleisch und Blut. Hätte er einen halben Zentimeter näher davorgestanden, wäre die Illusion zerplatzt.
    »Zwei identisch aussehende Säbelfechter, aber unterschiedlich trainiert. Der Gegner gerät durcheinander: Wen hat er vor sich? Er wird genauso zu reagieren versuchen, wie er auf dein Ebenbild reagiert hat, aber ihr fechtet immer anders. Das verwirrt ihn. Ist es der Säbelfechter, der jedesmal mit schnellen Paraden seinen Angriffen begegnet, oder doch der andere, der sich zurückzuziehen scheint …« – ohne aus der Stellung zu fallen, trat er blitzschnell zurück – »… dann aber wieder mit einem großen Schritt nach vorn seinen Bodenverlust gutmacht? Er zweifelt und wird getroffen.«
    Es schien mir ein unsinniger Plan. Sahen nicht alle Fechter ungefähr gleich aus, sobald sie Fechtanzug und Maske trugen? Außerdem wurden vorab die Namen angesagt und die Gegner beider Parteien gleichzeitig ausgetauscht. Doch die Zwillinge waren begeistert.
    »Wie Zorro!« rief Friedrich. »Bei Zorro weiß auch niemand, wer er ist!«
    Von Bötticher runzelte die Stirn, er verstand nicht, wovon Friedrich sprach.
    »Was, kennen Sie den Film nicht? Das Zeichen des Zorro ! Zorro trägt immer eine Maske, hinterläßt aber überall ein Zeichen mit seinem Degen. Das Z von Zorro.«
    »Du erzählst es nicht richtig«, wandte Siegbert ein, doch von Bötticher warf ihm das Florett zu, das er auffing, als wäre es etwas Schmutziges.
    »Ja, wir fangen mit dem Florett an«, sagte von Bötticher. »Zeigt jetzt mal, wie es ist, ein Mann in zwei Körpern zu sein. Janna, nimm du auch deine Waffe. Du wirst was erleben.«
    Wir grüßten und nahmen

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