Würfelwelt (German Edition)
Gewidmet Notch
Danke an Nik, der mich auf Minecraft hinwies,
an Konstantin, der mir zeigte, wie es funktioniert
und an Leopold, den Architekten,
der etliche Fehler in dieser Geschichte fand
und mir half, sie zu verbessern.
In Wirklichkeit erkennen wir nichts;
denn die Wahrheit liegt in der Tiefe.
Demokrit
1.
Irgendetwas stimmt nicht, aber ich weiß nicht, was.
Ich weiß nicht einmal, woher ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Da ist nur dieses merkwürdige Gefühl, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte.
Die Welt, das ist ein Strand, dahinter treppenartige, bewaldete Hügel. Wellen schwappen leise gegen den Sand. Ein kühler Wind weht vom Meer herein. Die Luft riecht salzig.
Die Bäume – Birken, den grauweißen, mit schwarzen Flecken gemusterten Stämmen nach zu urteilen – irritieren mich, ohne dass ich genau sagen könnte, warum.
Ich blicke an mir herab und ein Schreck durchzuckt mich. Wo sind meine Hände?
Da, wo sie eigentlich sein müssten, enden meine Arme in rechteckigen Stümpfen.
Rechteckig. Das ist es, was mich stört: Die Welt ist eckig. Es gibt keine Kurven, keine sanften Übergänge. Die Hänge der Hügel vor mir steigen nicht allmählich an, sondern in exakt rechtwinkligen Treppenstufen. Auch die Blätter der Bäume sind in würfelförmigen Blöcken angeordnet.
Blöcke. Das Wort kitzelt mein Gedächtnis, doch als ich dort suche, finde ich nichts als Leere. In meinem Kopf sind Wörter, Konzepte, aber keine Erinnerungen. Ich weiß nicht, wo ich bin und wie ich hierhergekommen bin. Ich kenne nicht einmal meinen Namen.
Trotzdem habe ich keine Angst. Auch das ist seltsam. Diese Welt ist nicht die, in der ich eigentlich sein sollte, soviel ist klar. Und doch fühlt sie sich vertraut an. Es ist okay, hier zu sein.
Ich blicke nach oben. Eckige Wolken ziehen über einen blauen Himmel. Eine quadratische Sonne steht tief über dem Horizont. Ich kann direkt hineinsehen, ohne dass meine Augen schmerzen.
Habe ich überhaupt Augen? Ich bin nicht sicher. Ich kann nicht blinzeln, aber immerhin sehen.
Ich mache einen Schritt. Der Sand fühlt sich warm an, doch als ich zurückblicke, finde ich keinen Fußabdruck.
Kein Wunder, ich habe ja auch keine Füße. Meine Beine – viereckige Stangen, die ich nur an der Hüfte vor- und zurückbiegen kann - enden wie meine Arme in quadratischen Flächen.
Ein Bild blitzt aus den vernebelten Tiefen meines Gedächtnisses auf, transparent und flüchtig wie Wasserdampf. Ich bin auf einer Kostümparty. Ich trage eine Ritterrüstung. Das heruntergeklappte Visier meines Helms behindert meine Sicht, Arme und Beine stecken in Plastikröhren. Ich stolpere über einen am Boden liegenden Gegenstand (eine Bierflasche?) und schlage hin. Jemand lacht mich aus.
Das war in einer anderen Welt voller weicher, unvollkommener Formen. Damals hat sich die steife Rüstung fremdartig angefühlt, doch meine rechteckigen Gliedmaßen wirken so, als hätte ich nie andere besessen.
Was ist passiert? Die Frage beginnt, in meinem Hinterkopf zu pochen wie ein dumpfer Schmerz. Ein vages Gefühl der Bedrohung steigt auf. Etwas ist geschehen. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich den Gedanken fassen.
Grübeln bringt mich nicht weiter, hier herumstehen auch nicht. Immerhin scheint hier keine unmittelbare Gefahr zu drohen.
Ich gehe ein paar Schritte den Strand entlang, dann hopse ich eine der Stufen hoch, auf einen grünen Untergrund, der aussieht wie in fleckigen Grüntönen bemaltes Gummi. Soll das Gras darstellen?
Das Hopsen geht ganz leicht, fast als wäre ich schwerelos. Doch ich falle immer wieder auf den Boden zurück. Fliegen kann ich nicht.
Ich wandere unter Würfelbäumen hindurch, als ich vor mir eine Bewegung wahrnehme. Etwas huscht durch die Schatten der Bäume.
Ich gehe darauf zu und erblicke eine Art weiße Kiste mit vier eckigen Säulenbeinen. An einem Ende befindet sich ein kleinerer Würfel, dessen Front mit quadratischen Flecken in braun, rosa, weiß und schwarz bemalt ist. Die Pupillen der Augen (falls die schwarzen und weißen Kästchen Augen sind) scheinen in zwei verschiedene Richtungen zu glotzen. Das sieht ziemlich lächerlich aus, aber mir ist nicht nach Lachen zumute.
Ich bin mir nicht sicher, was ich da vor mir habe, bis das Ding „Määäh“ macht - ein
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