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Die niederländische Jungfrau - Roman

Die niederländische Jungfrau - Roman

Titel: Die niederländische Jungfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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fassen bekam. Ich hoffte, uns hätte niemand gesehen. Nicht jetzt, nicht, nachdem wir gerade so atemberaubend getrabt waren. Doch das Pferd begann laut und stoßweise zu wiehern. Von Bötticher und die Blondine, Arm in Arm auf dem Weg, blieben stehen. Er sah mich an mit seinem verzerrten Gesicht. »Komm runter, Janna. Bring sie auf die Weide und warte auf Heinz.«
    Ich rutschte von Loubnas Rücken und führte sie durch den lockeren Sand. Heinz wendete das Auto. Die jungen Säbelfechter saßen immer noch auf der Rückbank. Aus der Nähe stellte ich fest, daß sie vollkommen identisch aussahen.

6
    Sie mußte einmal bildschön gewesen sein. Jetzt war sie sich dessen nicht mehr ganz sicher. Dennoch klimperte sie noch immer mit den Wimpern, wenn sie ein Schlückchen Wein nahm, und hielt den Kopf wie ein Kleinod aus Porzellan auf ihrem dünnen Hals. Leere Zigarettenspitze zwischen den Fingern, hochhackige Schuhe im Gras, bestrumpfte Füße in von Böttichers Schoß.
    »Es wird einfach nicht kühler«, sagte sie. »Ich sollte vielleicht etwas ausziehen.«
    Von Bötticher, sehr präsent in seinen Reitstiefeln, rauchte eine Zigarre. Er spähte in die Küche, von dort war ein immer lauter werdendes Klappern von Backblechen und Töpfen zu hören, Schränke wurden zugeknallt. Jemand kochte um sein Leben.
    »Wo bleibt Leni nur?«
    »Laß die arme Frau doch mal in Ruhe.« Sie streckte sich auf ihrem Gartenstuhl, die Schöße ihres Mantelkleids fielen auseinander. Sie ließ es so. »Oder hast du so einen Hunger?«
    Von Bötticher starrte immer noch mürrisch über sie hinweg. Sie drückte ihre Zehen an seinen Bauch: »Hat mein Brummbärchen denn so einen Hunger?«
    Als wäre ich Luft. Vielleicht sollte ich auch auf dem Rasen spielen wie die Säbelfechter. Sie rannten im Kreis herum, die Hunde an den Fersen. Für Zwillinge waren sie groß, aber sie benahmen sich wie kleine Kinder. Die Mutter war in den Vierzigern, schätzte ich. Sie mochte sogar etwas älter sein als von Bötticher.
    »Egon, bist du auch lieb zu dem armen Mädchen?« Sie musterte mich mit ihren knallblauen Augen. Ich trug noch immer die Reitsachen, die mir zugeteilt worden waren, der Himmel mag wissen, wem sie mal gehört hatten. Nicht ihr, hoffte ich. Das wäre ja noch schöner gewesen, wenn ich in ihren abgelegten Klamotten rumgelaufen wäre, der abgestreiften Haut dieser Schlange. Ich verstand nicht, warum sie mir so zuwider war. Von Bötticher machte Anstalten, ihre Füße wegzunehmen, blieb aber, die Hände um ihre Knöchel gelegt, sitzen. Sie lächelte. Na gut, sie war hübsch, noch immer.
    »Na? Bist du lieb zu ihr? Du kannst so grob sein.«
    Ich stand auf. »Darf ich gehen? Ich würde mich gern umziehen.«
    »Dann aber schnell«, sagte von Bötticher, ohne sich umzudrehen. »Leni ist fast fertig. Wenn du Heinz siehst, dann sag ihm, er soll auch kommen.«
    Oben hörte ich sie wieder zwitschern. Von Bötticher scherzte sicher nur dann, wenn ich nicht dabei war. Lange würde ich nicht weg sein. Ich hatte die Wahl zwischen zwei Sommerkleidern. Eigentlich war es sogar nur eins; das andere, aus goldfarbenem Satin, gehörte darunter. Ich konnte natürlich auch einfach meine Fechtsachen anziehen und das Nachmittagstraining einfordern. Gemäß dem Plan hätte es längst stattfinden müssen, aber offenbar galten Vereinbarungen nicht mehr, sobald sie auftauchte. Sie, die ihn zum Lachen bringen konnte: Jetzt lachten sie beide. Ich schloß die Balkontür. Das Unterkleid allein ging wirklich nicht. Der statisch aufgeladene Satin klebte mir an den Oberschenkeln. Blitzartig sah ich im Geiste, wie ich mich zu Tisch setzte, glänzend wie eine blattgoldüberzogene Isis. Staunend geöffnete Münder, schau, wie blendend schön sie ist, unsere heilige Jungfrau, daß wir das bisher nicht gesehen haben. Doch besser das Baumwollkleid darüber. Sand fiel aus meinem Haar. Diese verfluchte Wüstenstute hatte mich in eine Sandwolke gehüllt. Ob es jemandem auffallen würde, daß ich mein Haar gelöst hatte? Es wäre furchtbar, wenn jemand dächte, ich hätte mich für irgend jemanden herausgeputzt, wenn plötzlich jemand sagen würde: »Na, du hast dir ja Mühe gegeben.« Dies war ein einfaches, gestreiftes Sommerkleid, nichts Besonderes. Das andere war zu warm, mein Rock war schmutzig, das könnte man sich doch denken, ich konnte ja schwerlich weiter in Reitklamotten herumlaufen. Ganz klein würde ich mich machen und wie eine Eidechse hinausschlüpfen. Es gelang mir nicht. Leni ging

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