Die niederländische Jungfrau - Roman
hatte einen klugen Blick, ordentlich rasierte Wangen und bessere Tischmanieren als die Zwillinge, die ihm gegenüber, mit den Ellbogen auf dem Tisch, futterten. Sie hatten keinen blassen Schimmer, weswegen er gekommen war, nicht einmal als Heinz ihm einen Vorschlaghammer reichte.
»Hier, leih ich dir.«
»Kopfschlag? Ohne Bolzen?«
»So machen wir das schon seit ewigen Zeiten. Kopfschlag, Halsschnitt.«
Der Schlachter schüttelte verblüfft den Kopf. »Kommt nicht in Frage. Wo ist der Herr des Hauses?«
»Mit einem Bolzenschußgerät blutet es nicht richtig aus«, sagte Heinz halsstarrig. Der Schlachter nahm ein zylinderförmiges Instrument aus seiner Tasche und legte es auf den Tisch, Siegbert direkt vor die Nase, der noch immer nichts ahnte.
»Deutsches Fabrikat, Pyrotechnik. Hat mich noch nie im Stich gelassen, egal ob sie hundert oder zweihundert Kilo wiegen.«
Eine halbe Stunde später wurde die Sau ins Freie gejagt. Für ein Schwein schrie sie sehr melodisch, jeweils drei absteigende Töne in Folge. Wir bekamen einen Rappel davon. Die Zwillinge standen, die Hände gegen die Ohren gedrückt, in der Tür und heulten. Leni schleppte kochendes Wasser und Stroh herbei, wie für eine Geburt. Der Meister bedeutete uns zu verschwinden, er hinkte noch stärker als sonst, weil er sich ein Futteral mit einem Schlachtermesser an den Oberschenkel gebunden hatte.Nur Heinz lachte, während er um das Schwein herumschlenderte, das nicht stehenbleiben wollte, und wie ein Schiedsrichter »Halt!« rief. Schließlich schaffte er es, die Sau mit einem Hinterbein an die Stalltür zu binden. Und die ganze Zeit über sang sie mit herabhängenden Ohren, während ihre Augen den Schlachter registrierten, der sich ihr von hinten näherte, mal rechtsherum, mal linksherum, bis die Schlachtpistole auf ihrer Stirn stand.
»Halt!«
Die Sau stürzte krampfend auf den Beton. Der Schlachter drehte sich auf dem Absatz um, der Athlet, der das Resultat seines Wurfs noch nicht sehen will. Heinz hielt ihre zuckenden Hinterbeine fest, während der Meister ihr eine Wanne unter den Hals schob. Danach zog er das Messer aus dem Futteral, und mir verschwamm alles pechschwarz vor den Augen.
Möglicherweise verstrich eine Weile, bevor ich sie wieder aufschlug und im leeren Land die Umrisse dreier Männer sah, die das Tier auf die Knie wuchteten und am Rücken aufschnitten. Leni sagte, ich solle Salz holen, damit das Blut nicht gerann. In dieser Nacht war ich mir sicher, daß auch die anderen das Schwein hörten, mit langen Heulern über den Kahlschlag rund ums Haus.
Teil III
Kleve, 11. Januar 1616
An den sehr kundigen Herrn Gerbrand Adriaenszoon Bredero
Ehrenwerter, teurer Freund, Euren freundlichen Brief, der mir sehr willkommen war, habe ich erst gestern erhalten. Es ist mir eine außerordentliche Freude zu vernehmen, daß Ihr Euch bei guter Gesundheit befindet und daß Ihr mir meine Bitte erfüllen wollt, einige Präliminarien zu meinem Werk zu verfassen. Auch der Euch wohlbekannte Graveur Michel le Blon hat seine Dienste zugesagt, er ist sehr entzückt von dem, was er von der Lehre verstanden hat. Die Académie de l’Espée wird gewiß kunstvoller und ausführlicher als das, was meine spanischen Lehrmeister von der Destreza, die ich hochschätze und ehre, gedruckt haben. Es ist mein inniger Wunsch, daß dieses Werk unsere Nachkommen vor sinnlosem Blutvergießen behüten möge, denn wir sollten nicht danach streben, noch mehr junges Leben der Rachsucht zu opfern. Wenn es in meiner Macht läge, kehrte ich schon heute nach Amsterdam zurück. Dann würde ich den Druck vorantreiben und mich an der Freundschaft mit Euch, meinem bemerkenswertesten, bestrebtesten und kunstsinnigsten Schüler, erfreuen. Leider gebietet mir die Pflicht zu bleiben, um den Kurfürsten von Brandenburg jedesmal, wenn dieser seine neu erworbenen Ländereien besucht, zu dessen Zufriedenheit in der Fechtkunst zu schulen. Dennoch vergeht kein Tag, da ich nicht mit Wehmut an unser Leben in Amsterdam zurückdenke. Das Land an unseren südlichen Ostgrenzen kennt eine solche Umgänglichkeit nicht, hier walten seit Menschengedenken Groll und Genugtuung. Bisweilen denke ich, daß niemand mehr weiß, was der Ursprung seines Mißtrauens ist. Der Friede ist noch jung, der Vertrag vor eineinhalb Jahren unterzeichnet, doch Ressentiment wird vom Vater auf den Sohn vererbt. Der Kurfürst, unser Markgraf, schickt sich noch immer nicht darein, er tut wenig mit den ihm zugewiesenen
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