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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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schuld, sagte er, wie du dich wohl erinnern wirst, haben wir an diesem Nachmittag über die Liebe diskutiert, die LIEBE in Großbuchstaben, und du hast die ganze Zeit nichts anderes getan, als mir zu widersprechen, meine Argumente als naiv abzutun und von mir zu verlangen, auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen; jeder Satz von dir, der meine Träume in Frage stellte, war wie ein Schlag mit dem Hammer gegen die Brust. Dann tauchten die Skinheads auf, und zum angestauten Schmerz, den du gut kennst, gesellte sich der Schmerz, unverstanden zu bleiben.
    Der Freund erfuhr nie, ob Padilla das ernst meinte, aber von da an wurde in bestimmten Kreisen das Ausgehen mit ihm zu später Stunde zu einer Versicherung.
    Beim zweiten Mal verprügelte er seinen Geliebten, einen hübschen, nicht besonders intelligenten Knaben von achtzehn Jahren, der eines Abends Padillas Liebe für die eines reichen dreißigjährigen, auch nicht besonders intelligenten Architekten drangab, mit dem er die Dummheit beging, sich in den gleichen Läden zu tummeln, in denen er zuvor mit Padilla verkehrt hatte, und sich mit seinem Glück und einem Kurztrip nach Thailand und dem Sommer in Italien und einer Maisonettewohnung mit Jacuzzi zu brüsten, zu viel für den Stolz von Padilla, der damals erst siebzehn war und bei seinem Vater wohnte, in einer dunklen Dreizimmerwohnung in Eixample. Diesmal allerdings ging Padilla geplant vor: Er wartete, versteckt in einem Hauseingang, bis fünf Uhr früh auf die Heimkehr seines Exliebhabers. Als das Taxi abfuhr, nahm er ihn sich vor, und der Angriff war kurz und heftig. Das Gesicht sparte er aus. Er zielte auf den Bauch und die Geschlechtsteile, und als er bereits am Boden lag, trat er ihm noch genüsslich Beine und Hintern blau. Wenn du mich anzeigst, bring ich dich um, mein Süßer, teilte er ihm mit, bevor er, sich auf die Lippen beißend, im Dunkel der Straßen verschwand.
    Das Verhältnis zu seinem Vater war gut, nur ein wenig distanziert und etwas traurig vielleicht. Die unvermittelten und rätselhaften Signale, die sie wie nebenbei aussandten, wurden von beiden regelmäßig missverstanden. Der Vater dachte, der Sohn sei sehr intelligent, überdurchschnittlich intelligent, aber zugleich womöglich todunglücklich. Und er gab sich und dem Schicksal die Schuld. Der Sohn dachte, der Vater hätte irgendwann einmal ein interessanter Mensch sein oder werden können, sei aber durch die Todesfälle in der Familie zu einem Mann geworden, der wie erloschen wirkte, resigniert, manchmal auf rätselhafte Weise glücklich (wenn im Fernsehen ein Fußballspiel übertragen wurde), im allgemeinen ein fleißiger und sparsamer Typ, der nie etwas von ihm verlangte, höchstens ein lockeres, belangloses Gespräch dann und wann. Das war alles. Sie besaßen keine Reichtümer, aber da die Wohnung dem Vater gehörte und dieser kaum etwas ausgab, hatte Padilla immer ein regelmäßiges Sümmchen zur Verfügung. Von dem Geld ging er ins Kino, ins Theater oder essen, kaufte Bücher, Jeans, eine mit Nieten besetzte Lederjacke, Stiefel, eine schwarze Sonnenbrille, einmal die Woche ein wenig Haschisch, ab und zu etwas Koks, Platten von Satie, bezahlte sein Literaturstudium, seine Metro-Tickets, seine schwarzen und braunen Jacketts, mietete Wohnungen im fünften Bezirk, wohin er seine Geliebten mitnahm, und machte nie Urlaub.
    Auch Padillas Vater fuhr nie in Urlaub. Wenn der Sommer kam, schliefen Padilla und sein Vater bis in den Vormittag bei heruntergelassenen Jalousien in der sanft abgedunkelten Wohnung, die nach dem Essen des Vorabends roch. Später lief Padilla durch die Straßen von Barcelona, und sein Vater erledigte den Abwasch, räumte ein bisschen die Küche auf und verbrachte den restlichen Tag vor dem Fernseher.
    Mit achtzehn beendete Padilla seinen ersten Gedichtband. Er schickte eine Kopie an Leopoldo María Panero in der Psychiatrie von Mondragón, verwahrte das Original in einer Schreibtischschublade, der einzigen verschließbaren, und vergaß die ganze Sache. Als er drei Jahre später Amalfitano kennenlernte, holte er die Gedichte wieder hervor und gab sie ihm zum Lesen. Amalfitano fand sie interessant, vielleicht zu willfährig gewissen Formalismen gegenüber, aber elegant und gut gelungen. Seine Themen waren die Stadt Barcelona, Sex, Krankheit, Verbrechen. In einem, zum Beispiel, beschrieb er in vollendeten Alexandrinern fünfzig verschiedene Arten der Masturbation, eine schmerzhafter und fürchterlicher als die andere,

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