Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
von Angst und neun Ringe zurück.
Im Hafen von Burgund lag ein reisefertiges Drachenboot und wartete darauf, die Stadt den Rhein abwärts zu verlassen.
Brünhild stand auf der Kaimauer und umarmte Seshmosis ebenso herzlich wie kräftig. Der Schreiber ignorierte das leise Knacken seiner Knochen und tröstete sich damit, dass ein Abschied immer schmerzvoll war.
Brünhild sah ihm in die Augen, und ihre Stimme klang gar nicht nach Walküre, als sie sanft zu reden begann: »Ich wünsche dir, dass du mit deiner ägyptischen Prinzessin glücklich wirst, Seshmosis. Du hast es verdient. Vielleicht hat sie dich auch verdient, ich weiß es nicht. Ich kenne nicht viele Frauen, die einen Mann wie dich zu schätzen wissen. Ich kann nicht einmal sagen, ob ich zu diesen Frauen gehöre. Aber ich danke dir für alles, für meine Errettung aus der Verbannung ebenso wie für deinen Beistand hier. Viel Glück, kleiner Schreiber! Und sei mir immer willkommen!«
Seshmosis schluckte heftig; die Rührung schnürte ihm die Kehle zu. Wieder einmal fehlten ihm beim Sprechen die richtigen Worte, die sich beim Schreiben doch immer so schön und selbstverständlich einstellten. Mühsam kam ihm ein »Ich werde dich nie vergessen« über die Lippen. Brünhild nickte freundlich und ging an Bord. Seshmosis eilte zur Burg. Nun galt es schnell zu handeln.
Im Quartier der Tajarim traf Seshmosis auf Raffim. Er war gerade bei einer seiner zahlreichen Zwischenmahlzeiten und ließ sich von seinem Diener Jubul den Nacken massieren.
Seshmosis verzichtete in Anbetracht der Lage auf alle Höflichkeitsfloskeln und kam sofort zur Sache: »Es ist höchste Zeit, Burgund zu verlassen, Raffim! Die Preise für Schwerter werden bald ins Unermessliche steigen, glaub mir. Wenn du noch nicht genug Ware hast, kauf schnell, sehr schnell!«
»Hörst du schon wieder die Drachen husten, Schreiberlein?«, machte sich der Dicke über Seshmosis lustig.
»Sie werden dir bald Feuer unterm Hintern machen, wenn du nicht auf mich hörst. Ich warne jetzt die anderen und bin sicher, dass sie auf mich hören werden. Denn nur ich kann uns alle wieder heil nach Hause bringen.«
*
Wahnfried beendete den Vortrag seines neuesten Liedes vom Glanz der Burgunden und setzte die Leier ab. Gunther nickte ihm dankbar zu, dann erhob er sich von seinem Thron in der großen Halle, um eine Rede zu halten.
In den Gesichtern der Edlen von Burgund stand viel Anspannung. Nicht alle waren mit dem einverstanden, was der König in den letzten Tagen geäußert hatte.
Angetrieben von seinem Verfolgungswahn und seinen Machtfantasien, träumte er von der Eroberung der nördlich von Burgund gelegenen Provinz Belgica. Angespornt wurde er tagtäglich von Wahnfried, der davon sprach, dass das Volk mehr Lebensraum brauche und nur ein siegreicher König sich seines Volkes sicher wähnen dürfe.
Ergriffen von der vermeintlichen Größe seiner eigenen Gedanken, sprach Gunther zu seinen Getreuen: »Fürchtet euch nicht, meine Freunde! Die Belger und die Franken sind kaum ernstzunehmende Gegner. Sie erzittern schon, wenn man ihnen die Namen der burgundischen Helden nennt. Wir werden siegen, und in allen Hallen wird man von uns singen. Wahnfried hat deshalb schon den großen Schlachtgesang über uns vorbereitet. Und nach unseren Ruhmestaten in Belgica wird dieses Lied noch länger und noch strahlender sein! Sing, Wahnfried, sing!«
Der Sänger ergriff erneut die Leier, und seine sonore Stimme erfüllte die Halle und eroberte die Herzen der vieledlen Helden und ihrer viellieben Damen.
Zu den Rossen sprangen Gunther und die ihm Untertan.
Die Heerfahne fasste der kühne Spielmann,
Wahnfried der Degen, und ritt der Schar voraus
Da war auch das Gesinde zum Streite mutig und wohlauf.
Sie führten doch der Degen nicht mehr denn tausend Mann,
Darüber zwölf Recken. Zu stieben da begann
Der Staub von den Straßen: sie ritten über Land;
Man sah von ihnen scheinen manchen schönen Schildesrand.
Als die Burgunden drangen in den Streit,
Von ihnen ward gehauen manche Wunde weit:
Über die Sättel fließen sah man das Blut;
So warben um die Ehre diese Ritter kühn und gut.
Sindold und Hunold und auch Gernot
Die schlugen in dem Streite viel der Helden tot,
Eh sie ihrer Kühnheit noch selber mochten traun:
Das mussten bald beweinen viel der waidlichen Fraun. 10
*
Auf Seshmosis' Tisch erschien ein kleiner Drache. Der Prophet neigte das Haupt und sprach: »Danke, dass du
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