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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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begann zu regnen und wurde empfindlich kalt. Dasselbe Gefühl wie vorungefähr einem Jahr überkam sie. Wer hierher kommt, wird für immer begraben. Aber sie selbst war ja das beste Beispiel dafür, dass man diesem Schicksal entrinnen konnte! Die Bilder von damals zogen an ihrem inneren Auge vorüber: die Ankunft, ihr Erstaunen über die Freizügigkeit, die im Kloster herrschte, das Theaterspiel, das vom Dogen unterbrochen wurde. Also hatte er das, worauf das Spiel dezent verwies, vertuschen wollen. Ihn traf genauso die Schuld wie alle anderen auch, diejenigen, die diesen Hurenhandel in die Wege geleitet, genauso wie jene, die ihn ermöglicht, erduldet, bezahlt und weggesehen hatten.
    Wieder einmal stellte sie sich die Frage: Traf die Mädchen auch eine Schuld? Warum hatten sie das mit sich machen lassen? Blieb ihnen wirklich keine andere Wahl? Wieso konnte der Abt sich diese Frauen derart untertan machen, warum hatten die Äbtissinnen und andere höhergestellte Nonnen mitgemacht? Einmal war es wohl der lukrative Vorteil, den sie sich davon versprachen. Das musste der wesentliche Antrieb gewesen sein. Und bei den Mädchen waren es mangelnde Bildung, Unwissenheit, Hilflosigkeit, Gottergebenheit, die sie so erbärmlich leben und einige von ihnen auch sterben lassen hatten. Was unterschied sie selbst davon, was unterschied eine Frau wie Andriana von ihnen? Es konnte nicht allein der gesellschaftliche Stand sein, denn viele der Nonnen waren aus sehr gutem Hause. Es musste allein der Wille sein, dem etwas entgegenzusetzen, es nicht zu machen wie alle.
    Ach, mich verlässt schon wieder der Mut, dachte sie. Allein werde ich es niemals schaffen. Das brauchst du auch nicht, flüsterte eine Stimme in ihrem Innern, du kannst dir Hilfe holen, wenn du sie nötig hast.
    Ohne dass sie es bemerkt hatte, war die Dämmerung herabgesunken. Ihre Kleider waren durchweicht; sie musste ziemlich lange im Regen gestanden haben. Ein Fröstelndurchlief sie. Jetzt musste sie sich auf den Heimweg machen. Sie hatte Hoffnung, dass alles gut werden würde. Sie beschleunigte ihre Schritte. Irgendwie kam ihr das alles bekannt vor. Hatte sie das nicht schon einmal erlebt? Als sie einen dunklen Torbogen passierte, sprang eine dunkle Gestalt heraus, sie meinte noch den hellen Schatten der Totenmaske zu erkennen, umklammerte sie und drückte ihr ein übelriechendes Tuch vor die Nase. Sie schrie lautlos in das Tuch hinein, zappelte mit den Armen, versuchte den Angreifer zu treten. Dann wurde es Nacht.

40.
    Sie erwachte in einem hellen Raum mit weißgetünchten Wänden. Durch das Glas des Fensters kamen schwache Lichtstrahlen herein. Einen Moment lang glaubte Celina, in einer Klosterzelle zu liegen. Doch etwas sagte ihr, dass das nicht möglich war. Sie war von einem Mann angegriffen und betäubt worden. Der Mörder mit der Totenmaske, warum hatte sie an den nicht mehr gedacht? Arbeitete er für Breitnagel? Hatte der Deutsche dem Abt Lion in die Hände gespielt? Die Tür öffnete sich, und ein Dienstmädchen betrat den Raum.
    »Ich soll Euch zu meinem Herrn bringen«, sagte sie.
    Celinas Herz machte einen Satz. Das Mädchen führte sie eine marmorne Treppe hinunter. Überall standen frische Blumen in Vasen. Das Mädchen öffnete eine Tür, knickste und zog sich zurück. Im Zimmer saß Alois Breitnagel in seinem Bett, vor sich ein Tablett mit einem opulenten Frühstück: gekochte Eier, weißes Brot, Speck, Käse, Braten und Würzwein. An einem Tisch in der Nähe war für eine weitere Person gedeckt.
    »Komm näher, meine Kleine«, sagte Breitnagel. Celina war immer noch übel, und in der Gegenwart dieses feisten Ungeheuers würde sie keinen Bissen herunterbringen. Sie wollte jedoch versuchen, so lange mitzuspielen, wie es ihr möglich war.
    »Ihr wundert Euch sicher darüber, hier in meinem Haus gelandet zu sein«, sagte Breitnagel, genüsslich kauend. Er schluckte das Stück Braten herunter. »Ja, ich nenne noch ein weiteres Haus mein Eigen. Euer schäbiger Palazzo war nur ein Zubrot für mich. Ich habe Euch kommen lassen, umEuch vor Euch selbst zu beschützen. Ihr habt Eure Nase so lange in Angelegenheiten gesteckt, die Euch nichts angehen, dass ich dem endgültig Einhalt gebieten muss.« Breitnagel nahm einen tiefen Schluck Würzwein und rülpste.
    »Setzt Euch doch, esst und trinkt«, forderte er sie auf. Gehorsam setzte Celina sich an den Tisch und begann zu essen. Es schmeckte hervorragend, da brauchte sie sich gar nicht zu verstellen.
    »Ich mache

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