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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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meine Eltern abgeholt haben.«
    »Ich kenne diesen Mann«, antwortete Andriana nachdenklich.
    »Hast du mit ihm …«
    »Celina, das gehört zu meinem Gewerbe, ohne das könnte ich nicht überleben. Du hast dich bestimmt schon gefragt, warum ich einen solchen Beruf ausübe. Erinnerst du dich an die Kurtisane Tullia d’Aragona? Ich habe sie noch gekannt. Sie ist in dieses Leben hineingeboren worden: Schon ihre Mutter war Kurtisane. Durch unsere Bildung stehen wir – in den Augen der Bürger Venedigs – weit über den kleinen Straßenhuren.« Sie verstummte einen Moment. »Ja, ich kenne diesen Alois Breitnagel und muss sagen, dass er ein skrupelloser, zur Gewalt neigender Mensch ist.«
    »Was können wir tun, um zu unserem rechtmäßigen Besitz zu kommen?«
    »Dein Vater sollte ihn anzeigen.«
    »Bei der Signoria ? Die halten doch alle zusammen wie Pech und Schwefel, besonders, wenn es um Geld und Besitz geht.«
    »Einen anderen Weg sehe ich nicht. Der Fall muss gerichtlich geklärt werden.«
    »Celina …« Andriana sah ihr eindringlich ins Gesicht. »Sei vorsichtig! Der Mann mit der Maske läuft immer noch frei herum.«
    »Den werde ich auch noch zur Strecke bringen!«, antwortete Celina grimmig.
    Nachdem Celina in das Fondaco zurückgekehrt war, suchte sie sogleich ihre Eltern in deren Zimmer auf. Sie schauten ihr fragend entgegen.
    »Wir müssen Breitnagel anzeigen, das ist alles, was ich in Erfahrung bringen konnte.«
    »Nein, das möchte ich nicht«, sagte ihre Mutter. »Ich kenne diese Geldsäcke. Haben sie nicht immer Verbindung zu den höchsten Kreisen gehabt, auch denen der Kirche? Hat nicht Jakob Fugger mit der Verleihung von 48 000 Gulden an den Vatikan zum Ablasshandel beigetragen? Die Fugger sind zwar nicht mehr so mächtig wie zu Zeiten Luthers, aber immer noch mächtig genug. Ich glaube, wir wären unseres Lebens nicht mehr sicher, wenn wir uns in den Streit mit den Mächtigen begeben.«
    »Mutter, willst du einfach klein beigeben und denen alles, was wir haben, in den Rachen werfen?«
    »Ich gebe Palladia recht«, warf ihr Vater ein. »Wir müssen sehen, dass wir anders zu unserem Recht kommen. Vielleicht kann sich Immuti noch einmal für uns verwenden.«
    Celina wurde wütend. »Damit erreichen sie doch genau das, was sie wollen! Indem sie Angst und Schrecken verbreiten, raffen sie alles an sich, was nicht niet- und nagelfest ist!«
    »Es ist mein letztes Wort«, entgegnete ihr Vater.
    »Wo ist Christoph?«, fragte Celina.
    »Er ist bei einem Treffen mit Verlegern. Er muss aber jeden Moment zurückkommen.«
    Erst jetzt bemerkte Celina eine Schale mit Konfekt, Mandelsplitter in Marzipan, die auf dem Tisch stand. Ihre Mutter sah ihren Blick und sagte: »Die hat uns ein Botegeschickt, sie sind von Immuti. Er heißt uns willkommen und wünscht uns viel Glück.«
    »Ich rate euch zur Vorsicht. Wer weiß, von wem das ist.«
    Es polterte an der Tür. Christoph trat ein und ging schnurstracks zu der Konfektschale. Er nahm sie, lief zum Fenster und warf alles hinaus in den Kanal.
    »Was tust du da?«, rief Frau Gargana entsetzt.
    »Ich habe eure letzten Worte gehört«, antwortete Christoph. »Immuti war bei der Versammlung anwesend. Er hat die Süßigkeiten mit keinem Wort erwähnt. Wahrscheinlich waren sie vergiftet.«
    Etwas zersprang in Celinas Kopf. Das ging zu weit! Und sie würde es nicht mehr ertragen und erdulden. Ohne ein Wort zu sagen, nahm sie die Anzeige, die sie gegen Breitnagel formuliert hatte, vom Tisch und stürmte hinaus. Sie achtete nicht auf die Rufe, gab auch Christoph, der ihr gefolgt war, keine Antwort. Über den Campo San Bartolomeo rannte sie, vorbei an der Kirche San Salvatore, durch Gassen, über Brücken und Kanäle, sah die erstaunt zurückweichenden Menschen, bis sie schließlich schwer atmend auf der Piazza San Marco ankam. Sie verlangsamte ihre Schritte, um nicht weiter aufzufallen, schlenderte gemächlich an den Ständen der Händler vorbei und sah den Malern zu, die eine möglichst naturgetreue Nachbildung von dem Platz, dem Palast, dem Meer und den Booten hinzupinseln versuchten. Schließlich gab sie sich einen Ruck und ging hinüber zum Dogenpalast. Sie drehte sich nicht um, als sie ihren Brief in die Boca del Lion, die Öffnung des Löwenkopfes, warf.
    Erst jetzt wurde ihr das, was sie getan hatte, mit aller Deutlichkeit bewusst. Was würde in der nächsten Zeit passieren? Gedankenverloren schritt sie weiter, bis sie vor dem Tor des Klosters San Zaccaria stand. Es

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