Die Nonne und die Hure
zu weit gegangen«, sagte Christoph mit düsterer Stimme. »Er hat sich im Palazzo deiner Eltern eingenistet!«
Als sie zum Palazzo Gargana kamen, verschlug es Celina den Atem. Am Eingang zu dem kleinen Garten waren zwei steinerne Löwen aufgebaut, die nicht hierher gehörten. Mit heißem Gesicht folgte sie ihren Eltern, die auf die Tür zuschritten, um sie aufzuschließen. Christoph war unterdessen stehen geblieben. Auf das Geräusch des sich drehenden Schlüssels hin erschien ein livrierter Diener.
»Was wollt Ihr?«, fragte er grob, nachdem er die Ankömmlinge gemustert hatte.
»Mein Haus betreten«, antwortete Luigi Gargana.
»Das könnt Ihr nicht. Das hier ist der Besitz von Signore Breitnagel.«
»Das kann nicht sein«, murmelte Gargana. Celina hatte das Gefühl, als öffnete sich der Boden unter ihr.
»Signore Breitnagel hat den Palast rechtmäßig erworben, nachdem die Besitzer für tot erklärt wurden und deren Erbin der Ketzerei und des Hochverrates verdächtigt wurde. Die letzte Überlebende der Familie war verschwunden. Der Signore kann Euch die Kaufpapiere zeigen.«
»Und unser Besitz auf dem Land?«
»Mit dem verhält es sich ebenso«, sagte der Diener.
Niedergeschlagen gingen die drei zu Christoph zurück und berichteten, was sie gehört hatten.
»Dieser Lump!«, schimpfte Christoph. »Es ist doch alles dasselbe Pack. Aber warte, diesem Halunken werden wir das Handwerk legen!«
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Luigi Gargana. Seiner Frau standen die Tränen in den Augen.
»Kommt erst einmal mit mir zum Fondaco dei Tedeschi«, meinte Christoph. »Von dort aus werden wir die Sache klären.«
Da Celina noch Mittel aus dem Vermögen der Eltern besaß, konnten sie sich im Handelshaus der Deutschen einquartieren. Am Abend saßen sie beieinander und berieten über die neue Lage.
»Ich werde Breitnagel anzeigen«, sagte Celina in einer plötzlichen Eingebung.
»Damit kommst du doch nicht durch, er hat viel zu viel Macht in der Stadt«, erwiderte ihr Vater.
»Lasst sie nur, sie weiß genau, was sie will«, kam Christoph ihr zu Hilfe.
»Ich werde ihn anzeigen wegen Betrugs, Unzucht mit mindestens einer Nonne, was schon zur Ausweisung aus der Stadt führen kann, sowie der Beihilfe zum Mord. Das muss alles noch einmal aufgerollt werden.«
»Wie willst du die Anzeige durchführen?«, fragte Celinas Mutter.
»Ich werde die Anklagepunkte aufschreiben und ins Maul des Löwen am Dogenpalast werfen«, antwortete Celina. Sie holte Papier und Feder aus ihrem Reisegepäck, das noch nicht ausgepackt war, und schrieb eine Zeitlang am Tisch. Schließlich nahm sie die Streusandbüchse und trocknete damit die Tinte.
»Lass es sein«, sagte Christoph, der nun die Gefahren noch einmal durchdacht hatte. »Du bringst dich nur in Schwierigkeiten.«
»Wie sollen wir denn sonst zu unserem Recht kommen?«
»Am liebsten würde ich diesem Mann den Hals umdrehen!«
»Damit bringst du dich noch mehr in Schwierigkeiten!«
»Das Gesetz des Geldes regiert die Welt«, wandte Luigi Gargana ein. »Wir können diese Leute nur mit ihren eigenen Waffen schlagen.«
»Geld haben wir nicht mehr viel«, sagte Palladia. »Und Gleiches mit Gleichem vergelten verbietet mir mein Glaube.«
»Sagt nicht das Alte Testament: Auge um Auge, Zahn um Zahn?«, fragte Christoph dagegen.
»Für uns ist das Neue Testament ausschlaggebend«, meinte Luigi.
»Sollen wir etwa die andere Wange auch noch hinhalten, nachdem uns auf die eine geschlagen wurde?«, begehrte Celina auf. »Ich bleibe dabei: Wir müssen ihn anklagen. Und wenn er wegen Betruges, Beihilfe zum Mord undTeilnahme an einer Verschwörung nicht dranzukriegen ist, müssen wir ihm halt nachweisen, dass er Unzucht mit einer Nonne getrieben hat.«
»Wie willst du das schaffen?«, fragte Christoph.
Celina überlegte eine Weile. »Ich gehe morgen zu dem Restaurantbesitzer, der uns damals bedient hat, in der Nähe vom Fondaco.«
»Ob der sich nach so langer Zeit erinnern wird?«, fragte Christoph zweifelnd.
»Es ist auf jeden Fall ein Anhaltspunkt.«
»Ich habe noch eine andere Idee«, sagte Christoph. »Wir könnten die Äbtissin des Klosters Convertite im Gefängnis besuchen. Sie muss doch etwas wissen. Vielleicht könnte man ihr Hafterleichterungen versprechen, wenn sie plaudert.«
»Das ist aber unehrenhaft«, rief Celinas Mutter.
»Wir haben so viel Unehrenhaftigkeit von diesen Männern und Frauen erfahren, dass wir jetzt keine Rücksicht mehr nehmen können«, beharrte
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