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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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Einkaufsparadies«, oder »Die Mitgliederversammlung des Hasenzüchtervereins Dagendorf«, oder »Dank des vorbildlichen Einsatzes der Feuerwehr Alt-Prerow ist es gelungen, den Brand in der Turnhalle rechtzeitig zu stoppen«. Hier sah man ein Achtziger-Jahre-Flachdach, aus dem karmesinrot-orangefarbene Flammen brachen.
    Helges Freundin Tini (von der Holler nicht wusste, was sie gegenwärtig machte) hatte mannshohe Osterhasen aus Pappmaché angefertigt, die SS-Uniformen trugen. Außerdem gab es eine Installation von Makrameeampeln, die sich mit Hilfe integrierter Lautsprecher und computeranimierter Stimmen über Schokoladenriegel und die Ausländerproblematik unterhielten.
    Die Bühne, belegt mit einem zerschlissenen Perserteppich, war winzig. Die Hinterhofjungs standen eng beieinander, hinten Ulrichs Schlagzeugset, auf Stühlen und Barhockern verteilt ein Sammelsurium wunderlicher Instrumente, Kindergitarren, Mini-Synthesizer, Glockenspiele, ein mechanisches Kinderklavier, eine singende Säge, links Marcs Kontrabass mit Loopmaschine, rechts ein altes, überraschend gut gestimmtes Piano. Es war schon spät, der Abend hatte aufgehört, in geordneten Takten, Minute hinter Minute zu vergehen, sondern sich flächig und zeitlos im Raum ausgebreitet, als sie zu spielen anfingen. Sie starteten mit »Love in Portofino«, freuten sich über die offenbare Irritation des Publikums, das experimentelle Technosounds erwartet hatte, stattdessen aber Barjazz zu hören bekam, den das Piano zunächst ohne Begleitung anstimmte, bis der Bass in einem groovig ansteigenden Lauf einsetzte und der Schlagzeuger mit den Besen raschelnde Kreise auf das Snare-Fellwischte. Im zweiten Durchgang ein Bass-Solo. Aufrecht, elegant, wie ein Tänzer, wiegte Marc sich mit seinem Instrument im Takt, holte aber kraftvolle Töne aus dem Holz, mit kurzem hartem Anschlag, bevor er zum Bogen wechselte, dunkle Melodielinien strich, die in immer höhere Lagen stiegen, indem er sich tief über den Hals des Instruments hinabbeugte, seine linke Hand fast auf die Höhe des Stegs wandern ließ. Gleichzeitig bediente er mit dem Fuß die Loopmaschine, die alles mitschnitt. Das Kreischen und Zischeln des Basses kam nun in einer Endlosschleife aus den Lautsprechern, das Geräusch löste sich vom Zeitpunkt seines Entstehens und kurvte kreisförmig durch den Raum. Marc stellte den Bass in den Ständer zurück, nahm sich die Kindergitarre und schrammelte ein paar Akkorde, die er auch loopte. Ullis Swingrhythmus war in einen härteren 5/4-Takt übergegangen, unterbrochen vom donnernden Klang einer House-Bass-Drum. Tom aber hielt die singende Säge auf dem Schoß, aus der nach einem anfänglichen Aufjaulen nun dünn schwebende, immer filigranere Melodiechen hervorkamen, so dass auch Marc und Ulli ihre Lautstärke nach und nach anpassten, das Schlagzeug fast stumm raschelte und die Gitarre einzelne gedehnte Töne ins Mikrofon jammerte. Auf einen Blick hin wechselten sie kurzzeitig wieder in die Harmonie des Stücks, das wie eine Erlösung klingen mochte, auch wenn Tom Probleme hatte, auf der Säge wenigstens ungefähr die richtigen Noten des Hauptthemas zu treffen. Trotzdem wurde alles geloopt, Barjazz mit singender Säge, ungefähr in e-Moll. Als sie Durst bekamen, hörten sie auf. Tom erschrak über den Applaus. Er hatte das Publikum vergessen gehabt, wie er das meiste vergaß, wenn sie zusammen Krach machten.
    Ratlosigkeit lag in diesem Klatschen, ein zu Klang gewordenesAchselzucken, vereinzeltes kennerhaftes Kopfnicken. Tom holte Bier für die Musiker. Helge kam und sagte, die Musik passe zu seiner Kunst. Es rieche aus ihrer Musik heraus, sagte er, wie aus seinen Bildern. Dann schwieg er und lächelte still in sich hinein. Stets trug er eine feuerrote Wollmütze, meist eine Waldarbeiterweste mit vielen Taschen über seinem runden Bauch. Er rauchte Zigarren. Er trank Schnaps aus einem Plastikbecher.
    Als Tom auf der Bühne ein Kabel zusammenrollte, Zigarette im Mundwinkel, spürte er kühle glatte Hände über seinen Augen, roch ein Parfum, das er kannte, Haar fiel ihm in den Nacken, ein Atmen, als ob jemand ein Lachen unterdrückte. Er wusste sofort, dass sie es war. Aber er sagte nichts. Stellte sich dumm. Betastete die Hände, die Arme, die weithin nackt waren und erst auf Höhe der Schultern von einem dünnen Stoff bedeckt. Claudia, Petra, Maja, Annika? Endlich lachten sie beide, umarmten sich.
    »Hast du eine Zigarette?«, fragte Betty. Sie trug enge Jeans, hatte die

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