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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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Hände in den Taschen vergraben, und ihre Füße in den Turnschuhen kippelten auf die Außenkanten.
    »Es war klasse«, sagte sie. »Euer Konzert!«, fuhr sie fort, weil Tom nicht zu verstehen schien. Sie nahm einen tiefen Zug, so als hätte sie wochenlang nicht geraucht, was sie vermutlich wirklich nicht getan hatte. »Man merkt, dass es genau das ist, was ihr machen wollt! Es ist so …« Sie schwenkte ihre Zigarette in einem Halbkreis durch die Luft, wie um nach Worten zu leuchten, »… ungekünstelt, Scheißwort«, sie lachte entschuldigend, nickte viermal.
    »Wir wollten eigentlich nur für uns ein bisschen Musik machen«, sagte Tom, der mit Lob nicht gerechnet hatte, und schüttelteseine Bierflasche, in der nur noch ein Rest Schaum am Glas hinabrutschte.
    »Komm mit, du musst Marc kennenlernen.« Er nahm Betty bei der Hand und zog sie zur Bühnenkante, wo sein Freund an einem Scheinwerfer schraubte. Als er sich umdrehte, stand Betty mitten im Lichtkegel. Sie blinzelte, ein Strom aus glitzerndem Staub floss über ihren Kopf. Marc blickte ins Licht, erschrocken, das Scheinwerferkabel in der Hand. Seine Wangen waren blass, die Augen weit, wie um die ganze erstaunliche, aber beängstigende Welt auf einmal aufzunehmen. »Ich wollte eigentlich das Licht ausmachen«, sagte er leise. Der Scheinwerfer surrte.
    »Das ist Marc«, sagte Tom. »Mein bester Freund. Das ist Betty, meine beste Freundin.«
    Als Tom endlich den Stecker gezogen hatte, schwappte Dunkelheit über die Bühne. Der erhitzte Scheinwerfer klackte ein paar Mal. Marc ging ohne ein weiteres Wort einige Schritte rückwärts, drehte sich um, vergaß aber seinen Blick auf Bettys rechter Schulter.
    Später an diesem Abend trat ein Mädchen namens Nicki in Toms Leben. Und trat schnell wieder hinaus. Sie war eine Theater- oder Film- oder Medienwissenschaftlerin und hatte die Makrameeampeln gemacht. Ihr Mund schien weich und erinnerte an zermanschte Erdbeeren. Blau und riesigrund ihre Augen, mit leicht verlaufener Wimperntusche, wie die Ufer zweier Seen. Tom, als sie sich neben ihn stellte, wusste aber nicht, was er Intelligentes zu den Makrameeampeln anmerken konnte. Deshalb drehte er seinen Oberkörper, um nach Betty zu sehen, die sich jedoch mit Tini unterhielt. Beide deutetenauf die Hasenfiguren, wiegten die Köpfe und federten in den Knien.
    Seine Mutter habe immer solche gehabt, sagte er nach langem Nachdenken. Marc fixierte eine Ecke des Raums, in der Betty auf keinen Fall sein konnte.
    »Hm?«, machte Nicki.
    »Diese Ampeldinger, meine ich, die hatte meine Mutter immer.«
    Nicki lächelte nachsichtig, als sei dies ein Gemeinplatz.
    »Sie hatte auch religiöse Motive aus dem Zeugs«, fuhr Tom fort.
    »Religiöse Motive?« Das interessierte sie nun doch.
    »Genau, religiöse Motive.«
    »Aha?«
    »Sie hatte so ein kleines Kreuz mit einem Christus aus Makramee.«
    »Echt?«
    »Ja«, sagte Tom, obwohl er sich plötzlich nicht mehr sicher war.
    Später saß er mit ihr auf einem Sofa. Sie wirkte sehr unschuldig, hatte die Unterschenkel neben dem Hintern verkreuzt, als hätte sie kaum Knochen. Es stellte sich heraus, dass sie genau genommen eine Genderwissenschaftlerin war, und sie erklärte ihm bereitwillig, dass die Mutterliebe eine gesellschaftliche Konstruktion sei, die zur Unterdrückung der Frau erfunden worden war. Tom wunderte sich wirklich sehr. Er musste auf die Toilette.
    Marc fand er auf den Stufen im Flur hockend. Da die Beleuchtung ausgefallen war, hatte man Hunderte von Teelichtern aufgestellt, die das gesamte Treppenhaus in ein schwimmendesLicht tauchten. Marc hatte die Arme über den Knien gefaltet, betrachtete einen Punkt in der Luft, der für andere Menschen unsichtbar war. Kerzenlicht und Schatten wanderten über sein Gesicht.
    »Was ist los?«, fragte Tom.
    Marc hob die Schultern, ohne den Punkt in der Luft aufzugeben.
    »Was soll los sein?«, sagte er. »Nichts. Ich muss an die frische Luft.«
    Sie setzten sich im Hinterhof auf ein moosbewachsenes Mäuerchen, auf dem noch Sommerwärme lag. Aus dem geöffneten Fenster im ersten Stock drangen Technobässe, Zigarettenrauch. Ein Grüppchen lachender Menschen stand zwischen den Mülltonnen. Sie aber schwiegen. Marc ritzte mit dem Fingernagel kleine Linien ins Moos. Unvermittelt sagte er: »Du hast doch gesagt, sie wäre nicht hübsch.«
    »Wer?«
    »Diese Betty oder wie sie heißt, Morgentau.« Marc las das Etikett seiner Bierflasche.
    »Morgenthal«, sagte Tom. »Betty Morgenthal.«
    »Ach

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