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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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ja«, sagte Marc. Er nahm einen Schluck und untersuchte dann die Flechten und Moose auf der Steinmauer.
    »Hab ich gesagt, sie ist nicht hübsch?«
    Marc zuckte mit den Schultern, so als wäre es nicht wichtig, und wandte sich einer besonders großen Flechte zu, einem grauen ausufernden Fleck in der Form Nordamerikas. Es konnte auch ein Kaugummi sein.
    »Ich habe gesagt, ich weiß nicht, ob sie hübsch ist. Nicht hübsch und nicht hässlich, hab ich gesagt.« Erst jetzt begann Tom zu begreifen. Er lächelte, aber inwendig.
    »Ist sie nicht Sängerin oder so was?« Marc zündete sich eine Zigarette an. Die ganze Zeit über hatte er vergessen zu rauchen.
    Tom nickte mit dem Kinn bis auf die Brust hinab. »Sängerin. Sie studiert mit mir.«
    Marc sah auf die Häuserdächer gegenüber. Er benahm sich, als hätte Tom gesagt, sie schläft mit mir. So bedeutungsvoll war sein Blick allein bei der Vorstellung, dass sein Freund tagaus, tagein durch dieselbe Tür in dasselbe Gebäude hineinging wie Betty Morgenthal.
    »Und …«, er sah auf Toms Knie und schwenkte kurz und suchend seine Hand, »… führt sie nicht diese Hunde aus? Von der Hermanns?«
    Wieder nickte Tom. Längst hatte er ihm alles erzählt: Dass Betty die Hunde ausführte, dass sie nett war, nicht hübsch und nicht hässlich, sondern nett. Dass sie einen Exfreund namens Alex hatte, ein halb abgebrochenes Medizinstudium und ein Bianchi-Rennrad und dass er sich vorstellen konnte, sie bei Gelegenheit für ein paar Gesangsaufnahmen in den Proberaum zu bestellen. Aber Marc wollte alles noch einmal hören.
    »Marc, so kenne ich dich gar nicht«, sagte Tom, und jetzt konnte er sein Grinsen nicht länger zurückhalten. Es kippte durch die Augen hinaus, breitete sich über das ganze Gesicht. Er boxte Marc in die Seite, dass sein Oberkörper einknickte. »Es kann nicht sein, dass dir Betty zufällig irgendwie gefällt?«
    Marc blies laut einen Schwall Luft durch die Lippen. Er wollte etwas einwenden, es fehlten ihm aber die Worte. Deshalb schwieg er und zündete sich eine Zigarette an. Jetzt, wo ihm das Rauchen wieder eingefallen war, rauchte er eine nach der anderen. »Keine Ahnung«, sagte er, als viel Zeit vergangen war, soviel, dass Tom sich kaum noch an die Frage erinnerte. Dieses keine Ahnung aber blieb zwischen ihnen als allgemeingültige Überschrift hängen, und universal gesehen war es ja auch nicht falsch.
    Im Ausstellungsraum schien kaum Zeit vergangen zu sein. Die dunklen Drum ’n’ Bass-Rhythmen, die darin seit Stunden auf der Stelle kreisten, waren zum greifbaren Mobiliar erstarrt. Marc und Tom stellten sich an die Bar, Bierflaschen und Zigaretten in den Händen, sahen auf die kleine Tanzfläche vor der Bühne, Helge gab einige Runden norddeutschen Schnaps aus, der wie Benzin in der Magengrube brannte. Betty tanzte. Sie spreizte die Arme, schwebte über den Boden, als balancierte sie über ein Seil, wies mit ihrer Zigarette in die Luft, ging in die Knie und drehte eine Pirouette, schwebte dann, auf einer Linie einen Fuß vor den anderen setzend, quer über die Tanzfläche wieder zurück, schüttelte ihr Haar, hoch über dem Kopf ihr ausgestreckter Zeigefinger. Tom sah, dass Marc sah. Der trank noch einen St. Margarethener Benzinschnaps auf ex. Als Betty sich neben ihn an den Tresen stellte, wandte er hastig den Blick ab und vertiefte sich in ein bis dahin eher halbherzig geführtes Gespräch über Evolution und Kunst.
    Der Mensch, so Marc zu Helge, habe ja im Grunde ein total überdimensioniertes Gehirn. Fürs Überleben jedenfalls brauche er es gar nicht. Dass der Urmensch sich diesen Luxus des Gehirns aber trotzdem geleistet habe, zeige, dass es doch irgendeinen Evolutionsvorteil darstellen müsse , dass der Mann mit Geist offenbar als Sexualpartner attraktiver sei, schrie er und blies sich auf, dachte Tom, gummitierartig. »Aber nicht«, fuhr er fort, »weil die Weibchen Kunst und Höhlenmalerei undden ganzen Quatsch so toll finden, sondern weil er damit signalisiert, so überlegen zu sein, dass er sich sogar noch diesen unnötigen Luxuskram leisten kann.« Er redete laut und konsequent an der gleich neben ihm stehenden Betty vorbei auf Helge ein, und dieses Reden schnitt den Tresen in zwei Hälften, eine, in der Betty stand, und eine andere, in der sie nicht stand. Die Betty-Hälfte wurde von der Redeschere fein säuberlich abgetrennt. Marc zündete sich eine Zigarette an, obwohl die alte noch im Aschenbecher verglühte. Er sagte: »Andererseits hat

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