Die Peitschenbrüder
die Segel und die Taue. Langsam und schwer im Wasser liegend, lief der Dreimaster in den Hafen von Lockwergen ein, vorbei an den in den Wellen schlingernden Booten und den verlassenen Handelsschiffen. Nichts hatte sich verändert, seitdem Mythor und seine Gefährten hier an Land gegangen waren.
An jeder Seite des schwarzen Schiffes hingen zwanzig Ruder ins Wasser, die nun nicht mehr bewegt wurden.
Auf einem der hohen Decksaufbauten, vor dem für magische Opferungen bestimmten Altar, stand eine ungewöhnlich große und unglaublich dürre Gestalt in einem langen, schwarzen, silberverzierten Mantel. Unter dem hohen, spitzen Helm mit den bemalten Hörnern und Tierknochen saßen zwei finstere Augen tief in ihren Höhlen. Die Haut, die sich über spitz hervorstehende Wangenknochen wie altes Pergament spannte, wirkte gläsern. Der Mann trug keine Gesichtsmaske wie die anderen Caer-Priester. Sein pechschwarzes Haar war lang und klebte fettig aneinander. Die Augenbrauen waren dicht zusammengezogen.
Dies war Drundyr, jener Caer-Priester, der im Kampf um die Stadt Elvinon Mythor, Nyala von Elvinon und deren Vater, den Herzog Krude, gefangengenommen hatte. Nur Mythor hatte ihm entkommen können, nachdem er auf der Goldenen Galeere jenen Verrat an Herzog Krude begangen hatte, der seither wie ein Fluch auf ihm lastete.
Neben Drundyr stand Nyala. Kaum etwas an ihr erinnerte jetzt noch an die junge Herzogstochter, die sich nach dem Untergang der Nomadenstadt Churkuuhl um Mythor gekümmert und deren Liebe zu ihm sich nun in Hass verwandelt hatte. Sie war Drundyr hörig geworden und stand nun völlig unter seinem finsteren Einfluss. Und Drundyr genoss es, sich mit dieser in ihrer Besessenheit immer noch schönen Frau an seiner Seite zu zeigen.
Nyalas Augen waren blicklos in die Ferne gerichtet, als das Schiff mit den einhundertfünfzig Caer-Kriegern an Bord anlegte, die unter Drundyrs Befehl standen.
Drundyr lächelte, als er den Blick von den verlassenen Schiffen und Hafenstraßen abwandte und Nyala ansah. Es war wie das Lächeln des Todes und ebenso gespielt wie die Zuvorkommenheit, mit der er Nyala anredete. Drundyr stand völlig unter der Kontrolle des Dämons, der in ihm saß. Jede nur halbwegs menschliche Gefühlsregung war genau kalkuliert.
»Sorgen, meine Schöne?« fragte Drundyr. »Wegen der Stadt?«
»Es ist nicht wegen der Stadt«, sagte Nyala kaum hörbar, ohne den Priester anzusehen.
»Dann sorgst du dich um deinen Vater?« Drundyr lachte unterdrückt.
»Du weißt, dass er in guten Händen ist. Unsere Priester behandeln ihn mit aller gebotenen Sorgfalt.« Drundyrs Lächeln gefror. »Und in Caer ist er sicherer als an irgendeinem Ort der Lichtwelt.«
Das Wort »Lichtwelt« kam verächtlich über seine dünnen Lippen, geradeso, als ob er sagen wolle: »... in der Noch-Lichtwelt...«
Denn die Mächte der Dunkelheit waren auf dem Vormarsch, und nichts sollte diesen Vormarsch aufhalten. Drundyr war hier, um Lockwergen zu untersuchen und herauszufinden, was bei dem gewaltigsten Einsatz von Magie in der Geschichte der Welt nicht nach Plan gelaufen war. Drudin selbst hatte ihn mit dem Auftrag hierhergeschickt, einen genauen Bericht abzugeben, vor allem über die bei dem Vorgang ebenfalls verschwundenen Caer-Priester.
Nur Drudin wusste, was hier wirklich geschehen war. Und selbst Drundyr erschauerte leicht, als er nun das entseelte Lockwergen vor sich sah.
Doch der Dämon in ihm trieb ihn voran. Er musste herausfinden, was nicht nach Wunsch gelaufen war, um beim nächsten Mal - falls es ein nächstes Mal gab, da Drudin alle weiteren Versuche mit dieser geheimnisvollen magischen Waffe untersagt hatte - mehr Erfolg zu haben.
Drundyr kreischte mit seiner unangenehm hohen Stimme Befehle. Die Krieger versammelten sich an Deck und machten sich bereit, an Land zu gehen.
Nyala von Elvinon fühlte sich zwischen widersprüchlichen Gefühlen hin und her gerissen. Ihre unfreiwillige Zuneigung zum Caer-Priester wurde immer wieder für kurze Zeit von Momenten der Unschlüssigkeit und des Unbehagens unterbrochen.
Ein solches Unbehagen beschlich sie jetzt, als sie sah, wie die Krieger die letzten Vorbereitungen trafen und Drundyr sie wie die gestaltgewordene Finsternis lenkte.
Ihre Gedanken kreisten um ihren Vater. War Herzog Krude in Caer wirklich am rechten Ort? War das, was die Caer-Priester mit und aus ihm machten, recht?
Wieder sah sie sich mit ihm und Drundyr an Bord der Goldenen Galeere, jenes geheimnisumwitterten
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