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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Aber selbst wenn Turbansk nicht unterging, selbst wenn Hem den bevorstehenden Krieg überlebte, bestand keine Gewissheit, dass Maerad ihn je wiedersehen würde. Sie wurde von der Finsternis und mittlerweile vermutlich auch von den Mächten des Lichts verfolgt: Die Barden von Norloch hatten zweifellos eine Belohnung auf ihren und Cadvans Kopf ausgesetzt. Enkir, der Oberste Barde, war unter Umständen bei den Unruhen getötet worden, die ausgebrochen waren, als sie aus Norloch flohen. Jedenfalls hoffte Maerad mit ganzem Herzen, dass er tot war. Unwillkürlich verzog sie die Lippen. Vor einem Jahrzehnt hatte Enkir sie und ihre Mutter Milana in die Sklaverei verkauft. Er hatte die Schule von Pellinor verraten; seinetwegen war sie bis auf die Grundmauern niedergebrannt, waren die Menschen dort gnadenlos hingemetzelt, das Wissen und die Musik des Ortes unwiederbringlich ausgelöscht, die Schönheit Pellinors für immer hinweggefegt worden. Enkirs wegen hatte Maerad mit ansehen müssen, wie ihr Vater gemeuchelt wurde und wie ihre Mutter in Gilmans Feste mit gebrochener Macht verwelkte. Doch Enkir war gerissen, und nur sehr wenige Menschen wussten von seinem Verrat oder hegten auch nur einen Verdacht. Er war der Oberste Barde in Norloch, der bedeutendste Barde in ganz Annar. Wer würde, ohne zu wissen, was Maerad wusste, je glauben, dass ein solcher Mann ein Verräter sein konnte? Und wer würde das Wort eines jungen, ungeschulten Mädchens über das des Obersten Barden stellen?
    Zwei Tage waren vergangen, seit sie aus Norloch geflohen waren, gerettet von Owan dAroki in seinem bescheidenen Fischkutter. Ungesehen waren sie aus dem Hafen entwischt, während die hohen Türme der Zitadelle in Flammen aufgingen und auf den Kais der Aufruhr tobte. Nun segelten sie mit einem magisch heraufbeschworenen Wind zügig über die Wogen nach Nordwesten. Die Weite und Einsamkeit des Meeres hatte wesentlich dazu beigetragen, ihr einen klaren Kopf zu verschaffen, obwohl es ihr schwerfiel, auf dem Boot zu schlafen, und sie wiederholt an Seekrankheit litt. Derzeit jedoch herrschte gutes Wetter, und Owan meinte, sie würden Busk, die Hauptstadt der Insel Thorold, binnen weiterer zwei Tage erreichen.
    Vielleicht würden sie sich am Ende dieser kurzen, unbehaglichen Reise etwas ausruhen können. Maerad sehnte sich nach Erholung wie ein Dürstender nach Wasser; jede Faser ihres Wesens schrie danach. Aber tief in ihrem Innersten wusste Maerad, selbst wenn sie einen sicheren Hafen vorfänden, es würde bestenfalls ein vorübergehender Friede sein. Es war nirgends wirklich sicher. Obendrein stand über allem die Aufgabe, das Baumlied zu finden, wenngleich niemand wirklich wusste, worum es sich dabei handelte. Das Baumlied ist ein uraltes Wort für die Hohe Sprache, hatte Nelac sie in Norloch aufgeklärt. £5 steht für das, was über Worte hinausgeht. Und es ist zugleich ein Lied, angeblich geschrieben, als die Barden erstmals in Annar auftauchten. Das Geheimnis der Hohen Sprache soll sich darin verbergen. Es ist längst in Vergessenheit geraten. Selbst in den ersten Tagen nach der Stille, als die Barden vieles wiederentdeckten, das verschwunden war, behaupteten viele, es hätte nie existiert. Maerad hatte das Gefühl, sich auf der Suche nach einem Phantom zu befinden, ungreifbar wie die Strahlen des Mondes.
    All das ging Maerad schneller durch den Kopf, als man es auszusprechen vermocht hätte. Sie seufzte schwer, was Cadvan veranlasste, sich ihr zuzudrehen und sie anzusehen. Auf seiner linken Wange und um die Augenhöhle prangten die Male dreier grausamer Gertenhiebe, Verletzungen aus ihrem Gefecht gegen einen Unhold. Die Wunden überzog noch das Zickzackmuster winziger Fischgrätenstiche, und wenn Cadvan lächelte, so wie jetzt, zuckte er leicht zusammen. Aber sein Blick war klar und aufmerksam.
    »Tja, Maerad«, meinte er mit sanfter Stimme, »ich schlage vor, du versuchst, wieder einzuschlafen. Es herrscht tiefste Nacht, und uns stehen noch etliche Seemeilen bevor.«
    »Vom Segeln verstehe ich nichts«, erwiderte Maerad. »Du weißt, dass ich nur im Weg herumstehen würde. Aber vielleicht könnte ich für dich Wache halten.« »Wir brauchen tatsächlich einen Ausguck«, gab Cadvan nickend zurück. »Ich kann dir sagen, nur mit Owan und mir gestaltet sich das Segeln schwierig und erschöpfend. Je eher wir in Busk eintreffen, desto eher können wir uns ausruhen.«
    Am folgenden Tag erklomm die Sonne einen makellos blauen Himmel. Owan erklärte

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