Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Hared.
»Ja. Sharma verdankt Imank viel, und ich bezweifle, dass Imank zögern würde, ihn daran zu erinnern. Es ist möglich, dass Sharma Imank mehr fürchtet als jeden anderen Hauptmann in Annar.«
Hared kicherte säuerlich, doch Til-Naga starrte nüchtern auf den Tisch. »Seht nicht vorschnell einen Vorteil für uns in einem solchen Streit«, warnte er. »Ich selbst erkennen keinen. Wenn sie einander bekriegen, steht eines fest: Wer immer gewinnt, wird umso stärker daraus hervorgehen. Aber das ist nicht das Wichtigste, was Ranikmir mitgeteilt hat. Er sagte, die Belagerung von Turbansk hat Sharmas Streitkräfte stärker in Anspruch genommen, als wir geahnt haben: Imank hatte nicht mit dem dort ange- troffenen Widerstand gerechnet, und mittlerweile sind die Nachschublinien des Feindes in der Tat sehr dünn. Anscheinend hatte er erwartet, dass die Stadt wie Baladh unter dem Schwert in die Knie gehen würde und dass die Schwarze Armee rasch nach Car Amdridh weiterziehen könnte.«
Saliman klopfte auf den Tisch und grinste wild; Hem zuckte zusammen. »Ich wusste es!«, rief Saliman aus. »Ich wusste, wir müssten nur lange genug durchhalten, um …« »Es hat geklappt«, fiel Til-Naga ihm leise ins Wort. »Ich beglückwünsche dich, Saliman, und all jene, die eure Stadt so tapfer verteidigt haben. Und auch Juriken. Wie ich höre, ist er tot. Ich wünschte, es wäre mir vergönnt gewesen, ihn kennen zu lernen. Was ich von ihm gehört habe, klingt nach einem überaus großen Barden. Ranik sagte, dass an die zehn Reihen der Schwarzen Armee beim Erdbeben in Turbansk getötet wurden, viele weitere verwundet. Im Augenblick kann Sharma nicht einmal in Erwägung ziehen, Imank eine weitere Front in seinem Krieg eröffnen zu lassen. Ebenso wenig wird er die Schwarze Armee nach Annar führen.«
Soron atmete vor Erleichterung auf. »Dann ist Til Amon vorerst in Sicherheit.« »Es sei denn, Til Amon wird aus den eigenen Reihen angegriffen, mein Freund«,gab Saliman zu bedenken. »Aber ich denke, das waren noch nicht alle Neuigkeiten von Til-Naga.«
»Es gab tatsächlich noch etwas. Gewiss habt ihr von den Kinderarmeen gehört, oder?« Die anderen Barden nickten.
»Ranik glaubt, dass Sharma vorhat, sie verstärkt einzusetzen. Er hat scharenweise Kinder aus den Gebieten um Nazar und Savitir zusammengetrieben, außerdem jedes Kind über zehn aus Den Raven, und Ranik hat gehört, dass sie alle in eigenen Lagern ausgebildet werden. Es ist schwierig, mehr herauszufinden; anscheinend ist das eines von Sharmas eigenen Lieblingsunterfangen.«
Zelika, die still neben Hem saß, sog scharf die Luft ein. Er wusste, dass sie an ihre Brüder und Schwestern dachte, die vielleicht doch nicht getötet worden waren. »Ausgebildet?«, fragte Saliman. »Wofür?«
»Offenbar haben sie sich am Wall von II Dara als sehr nützlich erwiesen«, meinte Til-Naga in ausdruckslosem Tonfall. »Sie kennen keinerlei Gnade. Das hat Sharmas Begeisterung geweckt. Er schart seine Kinderarmeen in der Nähe von Dagra und sucht weitere Kinder, um ihre Reihen aufzustocken. Ranik vermutet und dürfte vielleicht Recht damit haben, dass Sharma mit dem Gedanken spielt, Kinderarmeen nach Annar zu entsenden, damit er dafür nicht auf seine anderen Streitkräfte zurückgreifen muss. Niemand weiß es mit Sicherheit. Jedenfalls ist es durchaus möglich. Aber etwas über diese Kinder in Erfahrung zu bringen, ist besonders schwierig.«
Kurze Stille trat ein, während die Barden die Neuigkeit verdauten.
»Til-Naga, das ist zwar schlimme Kunde, dennoch verleiht sie mir auch Hoffnung«, brach Saliman schließlich das Schweigen.
»Ja.« Til-Nagas Züge verhärteten sich, als wollte er eine Gefühlsregung verbergen. »Trotzdem kann ich mich nicht darüber freuen. Mein bester Freund wurde in Turbansk getötet, Saliman; er konnte den Allsehenden Augen nicht entkommen. Er war ein guter Mann, der versucht hat, unter schlimmstmöglichen Umständen ehrenvoll zu handeln. Ich habe um ihn gefürchtet, als ich erfuhr, dass er Teiljener Streitkräfte war; nun trauere ich um ihn.«
»Mir tut er nicht leid«, meldete sich plötzlich Zelika mit harter, angespannter Stimme zu Wort. »Was für ein Freund kann er gewesen sein, wenn er Teil der Schwarzen Armee war? Oder kommt Ihr selbst aus Den Raven?«
Eine betretene Stille folgte, die von Orona durchbrochen wurde.
»Ich bin eine Bardin aus Den Raven, und ja, dasselbe gilt für Til-Naga«, sagte sie leise. »So etwas gibt es.«
Zelika
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