Die Perserinnen - Babylon 323
sie war die gleiche wie damals. Die Angst machte die Glieder taub und den
Mund trocken, sie lag wie ein Ziegelstein im Magen und zerrte an den Eingeweiden.
Draußen wurde es allmählich hell. Graues Morgenlicht fiel
durch die weit geöffneten Türen ins Schlafzimmer. Jetzt, zu Beginn des Sommers,
kühlte es in Babylon auch in der Nacht nicht mehr richtig ab, doch so früh am
Morgen waren die Temperaturen noch erträglich. Die Vögel nutzten die kurze
Spanne für ein Morgenkonzert, bis die zunehmende Hitze sie nach und nach zum
Verstummen bringen würde.
Allmählich legte sich die Angst, doch wider Erwarten wurde
der Druck in der Magengegend nicht besser. Schließlich stand Paruschjati auf,
schleppte sich zur Tür und ins Badezimmer und dann in die Kammer mit dem
Abtritt. Sie ließ sich auf die Knie sinken und beugte sich über die Öffnung.
Ihr Magen schien sich umzustülpen, doch so sehr sie auch würgte, es wollte nichts
kommen. Plötzlich umfassten sie von hinten fürsorgliche Arme, Hände strichen
ihr Haar zurück und halfen ihr, sich weiter nach vorn zu beugen.
Als es vorbei war, ging es ihr besser. Sie setzte sich
zurück auf die Fersen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, während Mannuja
ihr den Mund mit einem feuchten Tuch abwischte.
„Wieder gut?“
„Ja.“
„Oder noch einmal?“
„Nein, ich glaube, das war alles.“
Vorsichtig half Mannuja ihr beim Aufstehen und brachte sie
zurück ins Schlafzimmer, wo sie sie auf dem Bettrand absetzte. Die alte
Kammerfrau musterte sie besorgt. „Du bist viel zu dünn!“, sagte sie und strich
ihr über das Haar. „Du isst zu wenig, und dann spuckst du das Wenige auch noch
wieder aus. Wie willst du jemals Kinder bekommen, wenn du so dünn bist?“
Mannujas übliche Leier. Dabei war sie inzwischen selbst
beängstigend zerbrechlich geworden, auch wenn sie sich immer noch so aufrecht
hielt wie ein Unsterblicher, der vor dem Thronsaal Wache hielt. Die Falten um
ihren Mund vertieften sich, als aus den angrenzenden Räumen Gepolter und
Stimmen zu ihnen drangen.
„Das muss Frataguna sein“, sagte Mannuja. „Ich sage ihr,
ihre Leute sollen nicht so einen Lärm machen.“
Sie humpelte zur Tür, doch noch bevor sie sie erreicht
hatte, flog sie auf und Frataguna stürmte herein. „Paruschjati, schläfst du
etwa noch?“ Obwohl sie inzwischen dreißig war, zehn Jahre älter als
Paruschjati, sah sie immer noch ein wenig aus wie ein junges Mädchen. Was sie
jedoch nicht daran hinderte, ihre jüngere Schwester bei jeder sich bietenden
Gelegenheit zu bemuttern. Als sie Paruschjati zusammengesunken auf dem Bettrand
sitzen sah, schlug ihre gute Laune in Besorgnis um. „Was ist los? Du siehst
furchtbar aus!“
„Sie musste sich gerade übergeben“, erklärte Mannuja streng.
„Euer Lärm macht es nicht eben besser.“
Draußen polterten immer noch die Dienerinnen und Eunuchen
herum, die Fratagunas umfangreiches Gepäck hereinschleppten. Mannuja schlüpfte
durch die Tür, offenbar in der Absicht, ihnen gehörig die Meinung zu sagen.
„Hört sich an, als ob du mit deinem ganzen Hausstand hier
einziehst“, sagte Paruschjati und erlaubte sich ein vorsichtiges Lächeln, das
Frataguna sofort erwiderte.
„Dabei soll es doch nur für eine Nacht sein! Ich nehme immer
zu viel mit. Aber das meiste gehört Faiduma. Das Fest heute Abend ist das erste
bei Hof, bei dem sie dabei sein darf. Außerdem ist sie aufgeregt, dass sie zu
dir in den Palast ziehen darf. Sie hat praktisch alles mitgeschleppt, was sie
besitzt.“ Frataguna setzte sich zu Paruschjati auf den Bettrand. „Du musstest
dich übergeben? Was ist los?“
„Nicht so schlimm, es geht schon wieder.“
Frataguna zog eine Braue hoch. „Du siehst immer noch
schlecht aus. Als ob du ein Gespenst gesehen hättest.“
Paruschjati legte die Hände auf ihre Knie und starrte darauf
herab. „Das habe ich auch.“
Frataguna verstand. Sie nahm Paruschjatis Hand. „Welcher
Traum war es?“
„Der erste … von der Nacht, als Vater ermordet wurde.“
„Du hast lange nicht mehr davon geträumt.“
„Seit vielen Jahren nicht mehr. Warum gerade jetzt? Was hat
das zu bedeuten?“
„Wahrscheinlich nichts. Menschen, die so Schreckliches
durchgemacht haben wie wir, lässt die Erinnerung daran das ganze Leben nicht
mehr los. Auch ich träume noch manchmal von dieser Nacht.“
Mannuja kehrte zurück, gefolgt von Aspamithra, dem Hofmeister.
„Ich habe bereits nach einem Arzt geschickt“, erklärte der Eunuch. „Was
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