Die Perserinnen - Babylon 323
aufspannen
lassen, einigermaßen auszuhalten war.
„Ich verstehe nicht, warum die Jauna ihre Götter überhaupt
befragen, wenn die Antwort doch immer genau nach ihren Wünschen ausfällt“,
lästerte Frataguna. „Als ob man das Schicksal betrügen könnte! Und dann die
Aufregung wegen des Feldzugs gegen Arabaja! Man könnte meinen, es gibt kein
anderes Thema mehr.“
Seit Monaten sprachen die Menschen am Hof und in der Stadt
über fast nichts anderes als über die Arabien-Expedition. Die Stimmung war
gespannt und erwartungsvoll, und nun war es bald so weit: Die Landtruppen würde
in sechs Tagen aufbrechen, die Flotte in sieben.
„Der Feldzug ist von großer strategischer Bedeutung“, begann
Vidarna in belehrendem Tonfall. Fratagunas Mann sah fast so gut aus wie früher,
außer dass er ein wenig an Gewicht zugelegt hatte. „Die Flotte wird den Ufratu
hinab in das südliche Meer fahren und dann Arabaja umrunden. Der König selbst
wird inzwischen mit dem Heer an der Küste entlang …“
„Schaut, da kommen sie!“, rief Faiduma aufgeregt und zeigte
flussaufwärts, wo eben ein Geschwader von Schiffen um die Festung am Fluss bog
und in Sichtweite kam. Sie waren noch zu weit entfernt, als dass Einzelheiten
zu erkennen waren, näherten sich aber schnell.
Faiduma war aufgesprungen und zum Rand des Kais gelaufen.
Mit geblähten Segeln und im Takt schlagenden Rudern lieferten sich die Schiffe
ein erbittertes Rennen. Das vorderste hatte bereits einen Vorsprung
herausgeholt, doch zwei andere hielten den Anschluss und bemühten sich
verbissen aufzuholen.
„Komm lieber wieder in den Schatten“, sagte Frataguna zu
ihrer Tochter. „Sonst bekommst du einen Sonnenbrand und bist heute Abend
knallrot im Gesicht.“
Sofort zog sich Faiduma unter das Sonnendach zurück. Sie war
dreizehn Jahre alt, ein hübsches, lebhaftes Mädchen, groß für ihr Alter, das
ihrer Mutter und auch ihrer Tante sehr ähnlich sah. Die Götter hatten Frataguna
und Vidarna nur dieses eine Kind geschenkt. Das Bankett am Abend würde Faidumas
erstes Hoffest sein – natürlich legte sie bei einem solchen Anlass keinen Wert
auf einen Sonnenbrand.
Auch Vidarna war aufgesprungen und starrte mit seemännisch
zusammengekniffenen Augen hinaus auf den Fluss. „Seht sie euch an!“, rief er
begeistert. „Diese Schiffe sind etwas Besonderes!“
Für Paruschjati sahen sie nicht anders aus als alle anderen
Kriegsschiffe, die sie zu Gesicht bekommen hatte, und das waren in letzter Zeit
viele gewesen. Ständig fanden Manöver statt, Flottenparaden und Regatten wie
die heutige. „Was ist denn so besonders an ihnen?“
„Siehst du das nicht? Konventionelle Kriegsschiffe haben
drei Ruderbänke übereinander, bei diesen hier sind es aber vier! Dadurch können
sie höhere Geschwindigkeiten entwickeln.“
Tatsächlich, erkannte Paruschjati, es gab vier Reihen von
Ruderern auf jeder Seite, und die drei vorderen Schiffe rauschten mit
atemberaubendem Tempo heran. Ihre bedrohlich wirkenden Bugpartien mit dem
Rammsporn und dem gemalten Auge dahinter pflügten durch die graubraunen Fluten
des Euphrats wie wütende Seeungeheuer. Inzwischen waren sie so nahe, dass das
Geschrei der Ruderer und das Dröhnen der Trommeln, die ihnen den Takt vorgaben,
bis zu ihnen herüberdrangen.
„Der König hat mehrere dieser Vierruderer in Phönikien bauen
lassen“, fuhr Vidarna fort. „Dann hat man sie auseinandergenommen, auf Karren
über Land transportiert und sie auf dem Oberlauf des Ufratu wieder
zusammengesetzt. Von dort sind sie stromabwärts bis hierher nach Babiru
gefahren. Inzwischen experimentieren die Schiffsbauer mit Schiffen, die sogar
fünf Ruderbänke haben. Das alles wird die maritime Kriegführung
revolutionieren!“
Vidarna betrachtete sich als Fachmann in nautischen Fragen,
weil er während des Krieges in der Flotte des Großkönigs gedient hatte. Es war
ihm sogar gelungen, eine Stadt zurückzuerobern, die in die Hände des Feindes
gefallen war. Unglücklicherweise hatte er die Stadt bald darauf wieder
verloren, wie man ja auch den ganzen Krieg verloren hatte. Das alles schien in
einem anderen Zeitalter gewesen zu sein. Inzwischen gab es keinen Großkönig
mehr – an seiner Stelle herrschte nun König Alexander über die bekannte Welt,
der Eroberer aus dem Westen. Obwohl Vidarna längst unter die „Königlichen Gefährten“,
die berittene Leibgarde des neuen Herrschers, aufgenommen worden war, gab er
immer noch gerne mit seinen ruhmreichen Taten im Krieg
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